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Ehrenamtliche
Hilfe Heidelberg - Volunteering Heidelberg
Neulussheim - Gewalt2003
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Home >Jugend
>Gewalt2003
Neulussheim:
Acht 12 bis 19jährige töten Johann Babies
im Wald
am
15.10.2003
Dokumentation und Archiv |
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Neulussheim
im Oktober 2003
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Die Hütte
von Johann Babies am 17.10.2003
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Neben der
Hütte
das Fahrrad mit Anhänger
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Der
verwüstete Innenraum
der Hütte
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Gedenkfeier in der ev. Kirche
am Altar Fahrrad und Anhänger
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Blumengeschmückte Bank an der Bushaltestelle
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Blumen im
Wald
vor der Hütte
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... immer
noch Blumen an der Bushaltestelle
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Weihnachtsmarkt
Anfang Dezember 2003
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© Alle
Fotos:
Alfred Gerold (vaf) |
...
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Am
4.12.2003 ist die Hütte
abgerissen und planiert |
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Gästebucheintrag vom 9.12.2003
An den Bürgermeiser,
ich habe ihren Text gelesen, den Sie zum Tode von Johann Babies auf der
Homepage der Gemeinde Neulussheim verfasst haben. Darin fragten Sie:
[[Was geht in Kindern und Jugendlichen (keine Ausländer, Asylbewerber
oder Migranten und auch nicht die Bildungsschwachen) vor, die mit derart
massiver Gewalt stundenlang (!) auf einen am Boden liegenden Menschen
einschlagen und -treten?]]. Soll ich aus Ihrer Aussage in diesem
Schreiben entnehmen, das Sie ein solches Verhalten von ausländischen
Kindern erwartet hätten? Ich finde eine solsche Äusserung von Ihnen
vollig fehlplaziert und ungerechtfertigt. Durch solche Aussagen werden
doch Vorurteile noch geschürt und bestärkt. Zum anderen finde ich es
völlig egal aus welcher Gesselschaftsschicht die Täter kommen, den die
Tat bleibt die gleiche.
Eintrag im Gästebuch von
www.neulussheim.de vom Dienstag,
9. Dezember 2003 / 13:35
Dennis Hoffmann,
gigafan2002@lycos.de
Psychosoziale Beratungsstelle Eppelheim -
8000 Fälle der Hilfesuche
... Da wurde uns
berichtet von 8.000 Fällen der Hilfesuche. Da erklärte der
Vereinsvorsitzende, dass ehemals auf Drängen des Rhein-Neckar-Kreises,
sich Leute gefunden haben, die es Eppelheimer Bürgerinnen und Bürgern
ermöglichten, Hilfe direkt vor Ort zu erhalten und um eine
Versorgungslücke zu schließen. Da wird sich bedankt für eine 20-jährige
wertvolle
Kooperation mit dem Kinderschutzbund Hockenheim. Da bedankt sich die
Caritas-Beratungsstelle und uns wurde glaubhaft versichert, dass:
„...häufig geholfen
werden konnte, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“!
Wir hörten von Dr. Gunther Schmidt, übrigens ein brillanter Festvortrag,
dass: Sich die Veränderungen der Familien in den letzten Jahrzehnten
total verändert haben. Der Wandel der Familienstrukturen, die mitunter
schwierige Integration ausländischer Familien und die zunehmende Gewalt
unter Kindern und Jugendlichen. Wirtschaftliche Umbrüche haben ihre
Spuren hinterlassen und so sei es nicht verwunderlich, dass die Zahl der
Ratsuchenden kontinuierlich zunehme. Er bestätigte weiterhin, dass
gerade in der Eppelheimer Einrichtung vorzügliche Arbeit geleistet
würde.
Vor diesem Hintergrund und von den Ereignissen wachgerüttelt, die in den
vergangenen Tagen für Schlagzeilen gesorgt haben (Neulußheim
Wohnsitzlosen zu Tode geprügelt, Messerangriff auf eine Erzieherin
in Rotalben RP), müssen wir uns fragen, ob nicht gerade unsere
Einrichtung ein probates Mittel ist, um solchem vorzubeugen. In diesen
Gemeinden macht man sich nun Gedanken und versucht aufzuarbeiten. Werden
nicht letztlich Vorschläge kommen, die wir bei uns in guten Händen
wissen?
Kein Mensch, Keine Stadt oder Gemeinde, kein Verein und keine
Institution ist gefeit gegen derartige Vorkommnisse. Aber wir in
Eppelheim, können zumindest sagen: „Wir haben es durch unsere
Unterstützung zumindest versucht!“
http://spd-eppelheim.de/Fraktion_aktuell/Berichte/ZuschussPsyBeratSt.htm
,8.12.2003
Polizei ermittelt vier weitere Kinder, die an den Misshandlungen von
Johann B. beteiligt waren - Polizeisprecher: Immer häufiger Übergriffe
gewaltbereiter Jugendlicher
Neulußheim. "Wer jetzt versucht,
in Neulußheim gefährliche Jugendgangs auszumachen, der ist auf dem
falschen Dampfer", versucht man im Rathaus den Ball flach zu halten,
nachdem bekannt wurde, dass dem Totschlag an dem Obdachlosen Johann B.
in Neulußheim vom 15. Oktober schon zwei Tage zuvor und an einem Tag im
September, der nicht mehr genau zu ermitteln ist, Schläge und Tritte
gegen den Mann voran gingen. Und an diesen Übergriffen, deren Grund
trotz polizeilicher Ermittlungsarbeit noch immer weitgehend im Dunkeln
liegt, sollen vier weitere Jugendliche beteiligt gewesen sein, die am
Tage des Totschlags, als die Gewalt eskalierte, dann nicht dabei waren.
Es gibt im Ort also eine Clique Jugendlicher, die sich
in wechselnder Zusammensetzung trifft, um sich auszutoben - unter
anderem mit Schlägen und Tritten gegen meist wehrlose Menschen.
Vielleicht war es auch nur ein kleiner Streit, der jetzt im Nachhinein
größer und bedeutender erscheint, als er wirklich war. Tatsache ist
jedoch, dass Obdachlose bei gewaltbereiten Jugendlichen immer häufiger
ins Visier geraten. Sie gelten als schwach und ohne Wert.
Obdachlose, noch dazu solche, die als "Waldmensch" und unter dem
Einfluss von Alkohol leben, werden damit zum potenziellen Opfer
schlechthin. Nach dem Motto: "Bei dem ermitteln die Bullen doch sowieso
nicht so genau", kommt es immer häufiger zu Übergriffen gewaltbereiter
Jugendlicher. Das jedoch soll ein verbreitetes Phänomen sein, wie Harald
Kurzer, Sprecher der zuständigen Polizeidirektion Heidelberg bestätigt,
das freilich nichts mit dem Ort Neulußheim zu tun habe. So gesehen:
Neulußheim ist überall.
"Neulußheim unterscheidet sich statistisch in Bezug
auf Gewaltbereitschaft von Jugendlichen in nichts von anderen Orten in
der Region", betont man bei der Polizeidirektion - auch wenn man beim
Betreten des Neulußheimer "Bahnhofs" geschockt ist von der massiven
Zerstörungswut, die sich hier immer wieder austobt. Es mag an der
örtlichen Situation liegen, die Tätern relative Sicherheit davor bietet,
geschnappt zu werden. Es mag an dem vielen Glas liegen, das so
"verlockend zerbrechlich" scheint, warum irgendwelche Leute hier ihr
immer wieder ihr "Mütchen kühlen" müssen. Bürgermeister Gerhard Greiner
ist dabei jedoch der Überzeugung, dass das Problem dort nicht von
Neulußheimer Jugendlichen verursacht wird.
Und Neulußheim unterscheidet sich positiv von anderen
Kommunen in der Aufarbeitung der schrecklichen Tat, wie Kurzer lobend
erwähnt und Gerhard Greiner bestätigt (siehe unten stehenden Artikel).
Doch oft ist es gar nicht einfach, an die Jugendlichen heran zu kommen.
Eine Möglichkeit könnte darin liegen, den Brennpunkt Schule durch
polizeiliche Kriminalprävention zu entschärfen - den oft überforderten
Lehrern kann man diese Aufgabe nicht mehr alleine überlassen. Welche
ungute Rolle vor allem die elektronischen Medien wie Fernsehen und Video
mit ihrer gewaltverherrlichenden Ausrichtung spielen ist eigentlich
allen klar - nur die Verantwortlichen und Profiteure wollen offenbar
nichts davon hören.
Es sind auch nicht immer soziale Randgruppen, die
straffällig werden. Die acht an dem Totschlag beteiligten Jugendlichen
zwischen 14 und 19 Jahre stammen aus normalen, unauffälligen Familien
und gut bürgerlichen Verhältnissen. Die Gruppe in sich soll sehr
indifferent sein. Seit einer anfänglichen relativen Emotionslosigkeit
beim Erstverhör, soll sich der psychische Zustand der potenziellen Täter
unterschiedlich entwickelt haben. Das Spektrum der Betroffenheit soll
inzwischen von geringer emotionaler Bewegtheit bis zum Zustand kurz vor
der Psychiatrie reichen.
Doch diese Jugendlichen waren keine "Sonderlinge",
vielmehr gibt es viele Jugendliche dieses "Zuschnitts" in der Region.
Immerhin fünf bis sechs Prozent der Jugendlichen zwischen 8 und 21
Jahren tauchen bereits in Kriminalstatistiken auf. "Das ist auch im
Rhein-Neckar-Kreis so", erläutert Kurzer. "95 Prozent der Jugendlichen
und auch der Eltern sind mit diesem Problem also nicht konfrontiert."
Auch das muss einmal gesagt werden
RNZ vom 3.12.2003, Harald
Berlinghof , www.rnz.de
Obdachlosenmord in Neulußheim - vier zusätzliche Jugendliche verdächtigt
Im Fall des Mitte Oktober in
Neulußheim (Rhein-Neckar-Kreis) erschlagenen Obdachlosen hat sich die
Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen weiter erhöht.
Nach Informationen von SWR4
Kurpfalz Radio geht die Staatsanwaltschaft jetzt von insgesamt zwölf
Verdächtigen aus. Die Heidelberger Polizei ermittelt gegen vier neue
Tatverdächtige im Alter zwischen 14 und 15 Jahren.
Die Gruppe von Jugendlichen soll bereits vor dem eigentlichen Tattag
mehrfach und in wechselnder Besetzung auf den Obdachlosen eingeprügelt
haben. So soll dies zwei Tage vor der Tat und auch im September passiert
sein, gaben die Verdächtigen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren bei
Vernehmungen an. Die Anklageschrift soll bis Ende Januar vorliegen.
Ermittlungen zuvor hatten ergeben, dass auf den Obdachlosen mehr als
zwei Stunden lang mit einem Holzknüppel eingeschlagen worden sein soll.
Die Obduktion der Leiche belegte laut Polizei, dass der stark
unterkühlte 54-Jährige an der Vielzahl seiner Verletzungen starb.
Die meisten der Tatverdächtigen sind Schüler. Sie wurden an andere
Schulen versetzt, was dort für hitzige Diskussionen und Elternprotest
sorgte.
SWR1-Nachrichten vom 2.12.2003,
www.swr1.de
Neulußheim: 54-Jähriger wurde schon
häufig überfallen
Neulußheim. Ein im Oktober vermutlich von Kindern und Jugendlichen in
Neulußheim (Baden-Württemberg) zu Tode geprügelter Obdachloser war schon
vor dieser Tat Ziel mehrerer Überfälle. Die Heidelberger Polizei
ermittelt in diesem Zusammenhang gegen vier weitere Jugendliche im Alter
von 14 und 15 Jahren, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Sie sollen
den 54-Jährigen zwei Tage vor seinem Tod zusammengeschlagen haben. An
dem Totschlag selbst sollen sie aber nicht beteiligt gewesen sein. Neben
einem 19 Jahre alten Hauptverdächtigen, der in Untersuchungshaft sitzt,
sollen sieben Kinder im Alter zwischen 12 und 14 Jahren an dem
Verbrechen beteiligt gewesen sein. Vor sieben Wochen war der Obdachlose
in einem Wald nach einem Streit um eine Hütte von Kindern und
Jugendlichen zwei Stunden lang zu Tode geprügelt worden. Gegen den
mutmaßlichen Haupttäter soll Anfang nächsten Jahres Anklage erhoben
werden. Er hatte bei der Vernehmung kurz nach dem Tod des Obdachlosen
die Tat gestanden und soll polizeilich bekannt sein.
www.morgenweb.de vom 2.12.2003
Ein
Baum und ein Stein zum Gedenken
Neulußheim. "Zu Beginn unserer heutigen Sitzung
möchte ich eine Erklärung zum 15. Oktober in Neulußheim abgeben." Mit
diesen Worten eröffnete Bürgermeister Gerhard Greiner die jüngste
Sitzung des Gemeinderates.
Der 15. Oktober als der Tag, der das gesamte Leben in
der Gemeinde verändert habe, der Tag, an dem junge Menschen einen
Obdachlosen zu Tode prügelten, wird die Gemeinde und die Menschen noch
lange und intensiv beschäftigen.
Gerhard Greiner fasste zusammen, dass die
polizeilichen Ermittlungen zwischenzeitlich abgeschlossen seien. Man
könne davon ausgehen, so Bürgermeister Gerhard Greiner weiter, dass die
Staatsanwaltschaft noch in diesem Jahr Anklage erheben werde.
Bürgermeister Greiner führte des Weiteren aus, dass es auf jeden Fall
mehr Tatbeteiligte gebe, als zunächst angenommen worden und auch bekannt
gegeben war. Die beteiligten Heranwachsenden, Jugendlichen und Kinder
stammten hauptsächlich aus Neulußheim. Insgesamt habe die Tat eine
längere Geschichte würde sich wohl aus mehreren Einzeltaten
zusammensetzen. Dies im einzelnen zu klären, sei Sache der gerichtlichen
Verhandlung.
Nicht alles, was danach kam, sei hilfreich gewesen,
meinte Greiner und fügte hinzu: "Auch nicht alle getroffenen
Entscheidungen". Eines stehe auf jeden Fall: Die Tatbeteiligten hätten
in auswärtigen Schulen keine Chancen: "Dort sieht man sie nur als
Totschläger, in Neulußheim kennt man sie auch als Menschen," fasste
Greiner zusammen. Man werde weder dem Opfer noch den Tatbeteiligten und
deren Familien gerecht, wenn man alles nur unter den Teppich kehren
wolle. Man müsse sich, so Gerhard Greiner, mit der Tat und den Ursachen
auseinander setzen, die gesamte Ortsgemeinschaft müsse das Geschehene
aufarbeiten.
Falsch sei es auch, grundsätzlich gegen die
Gesellschaft zu wettern, denn diese Gesellschaft habe hier in Neulußheim
Gesicht und Namen. Vor allem die Lehrer müssten neu lernen, mit den
Klassen umzugehen. In diesem Zusammenhang stellte Greiner fest, dass man
in der Lußhardtschule gleich beispielhaft reagiert habe. Es sei eine
Supervision eingesetzt worden, die auch den Lehrkräften nach besten
Kräften verhalf, die Ereignisse zu verarbeiten. "Wir wollen nichts
verharmlosen, wir dürfen aber niemanden ausgrenzen," betonte Greiner.
Gewissermaßen "in konzentrischen Kreisen müsse man von innen nach außen
in alle Kreise der Gesellschaft gelangen."
Nach einem ersten kleinen runden Tisch mit Betroffenen
wolle man nun am 11. Dezember sich zu einem weiteren runden Tisch
treffen. Hier seien im lokalen Bereich Politiker, Vereine, Lehrer,
Elternbeiräte, Erzieher und die Medien eingeladen. Man begebe sich auf
die Suche nach Antworten, meinte Greiner und sicherte auch zu, konkrete
Veranstaltungen folgen würden, beispielsweise zum Themenbereich
Jugendstrafverfahren und vieles ähnliche mehr.
Auf Anfrage einer Sitzungsbesucherin teilte Greiner
mit, dass die kleine Erinnerungsstätte an der Bushaltestelle vor dem
Rathaus abgeräumt worden sei, weil das flüssige Wachs oft missbraucht
wurde und der Ort zu einem Schandfleck zu werden drohte. Einig seien
sich sowohl die Bürgermeister von Altlußheim und Neulußheim als auch die
Hubwaldgemeinschaft als Eigentümerin gewesen, dass die
Waldhütte, in welcher der Getötete mehrere
Jahre übernachtet hatte, abgerissen wurde. Gerhard Greiner:
"An dieser Stelle wollen wir einen Baum pflanzen und mit einem
schlichten Stein des Getöteten gedenken und an ihn erinnern".
Schwetzinger Zeitung vom 29.11.2003,
www.morgenweb.de
Jugendgewalt - Schuld der Eltern
Nach der ein paar Wochen zurückliegenden schrecklichen
Tat von Neulußheim, bei der ein 54jähriger Obdachloser von jungen Tätern
(Größenteils noch Kinder) stundenlang zu Tode gequält wurde, fand erneut
ein Verbrechen Jugendlicher im Alter von 16 und 17 Jahren im
südpfälzischen Rodalben statt, bei der eine junge Frau mit Messerstichen
getötet wurde. Die Jugendlichen waren wegen zahlreicher Straftaten im
geschlossenen Jugendheim untergebracht, um eine Untersuchungshaft zu
vermeiden und ihnen eine Chance für das Leben zu geben.
Bei diesen Kindern und Jugendlichen muß wohl viel
schief gelaufen sein, deshalb sollten einige Fragen gestattet sein:
Haben die jeweiligen Eltern ihren Erziehungsauftrag nur unzureichend
oder u.U. gar nicht wahrgenommen und überhaupt nicht verstanden, welche
Verantwortung, Verpflichtung und Mühe die Elternschaft bedeutet?
Eins steht fest, die Hauptverantwortung für die Entwicklung und
Erziehung von Kindern liegt ausschließlich bei den Eltern mit allen
hieraus resultierenden Konsequenzen. Diese Verantwortung kann weder an
die Schule oder sonstige Institutionen delegiert werden.
Hermann Tatzel, Weinheim-Lützelsachsen, RNZ vom 29.11.2003
Landesschau
Südwest Fernsehen, 20.11.2003, 19 Uhr
Vier
Wochen ist es her, dass ein Obdachloser an seinen Verletzungen - Knochenbrüche,
innere Verletzungen und Erfrierungen - starb: Eine Gruppe junger Täter, bis auf
einen nicht älter als 14, hatten ihn langsam zu Tode geprügelt. Was treibt
junge Menschen zu solcher Grausamkeit?
Seit Jahren steigt nicht nur in
Baden-Württemberg die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen ständig an. Die
Polizeistatistik zeigt: Die Hälfte der Gewaltkonflikte werden von Tätern unter
12 Jahren begangen. Ist Provozieren, Prügeln, Zuschlagen heute mehr angesagt
als miteinander reden und Konflikte friedlich lösen?
Ist Neulußheim ein Einzelfall oder neigen Jugendliche
heutzutage generell zu mehr Gewalt? Gespräch mit dem Experten Hans-Jürgen Diehl, Leiter des
Kinderschutzzentrums in Heidelberg. Diehl:
"Die Vermittlung von Zivilcourage findet kaum mehr statt".
"Die Notsituation in Familien nimmt immer mehr zu"
"Selbst zum Vorbild werden ist das, was jeder von uns für Kinder tun kann
- jetzt sofort"
Fragen an Bewohner von
Neulußheim. Ein Mann zitiert ein afrikanisches Sprichwort:
"Ein Kind muß vom ganzen Dorf erzogen werden". Und eine solche
Erziehung der Kinder findet in der Gemeinde Neulußheim schon lange nicht mehr
statt.
Das Kinderschutz-Zentrum ist
eine Krisenberatungsstelle zum Thema "Gewalt gegen Kinder und
Jugendliche".
Es werden einzelne Familienmitglieder, ganze Familien, Personen aus dem Umfeld
und professionelle HelferInnen im Umgang mit den verschiedenen Formen von Gewalt
(körperliche, sexuelle, seelische Misshandlung und Vernachlässigung) unterstützt.
Das Angebot umfasst sofortige Krisenintervention, telefonische und ambulante
Beratung, Therapie sowie Fortbildungsveranstaltungen und Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Hilfe ist kostenlos, vertraulich und auf Wunsch anonym.
www.heidelberg.de/frauen/fhb/krisenberatung/kinderschutzzentrumhdawo-k.html
Die Hütte von
"Penner-Paul" wird derzeit abgerissen und planiert.
"Das Problem wird entsorgt,
auch eine Art der Aufarbeitung, aber eine äußerst fragliche Art"
Rodalben - 16- und 17-Jährige erstechen ihre Betreuerin
Foto: AP/Spiegel
Eine 26-jährige Frau, die als Betreuerin in einem geschlossenen
Jugendheim in Rodalben (Südwestpfalz) arbeitete, ist erstochen
worden. Die Tote hatte Nachtdienst gehabt und war kurz vor sieben Uhr mit
Stichverletzungen in Hals und Schlüsselbeinbereich sowie Spuren stumpfer
Gewalteinwirkung am Kopf in dem Jugendheim des Internationalen Bundes
(IB) gefunden worden. Die drei Jugendlichen waren wegen zahlreicher Straftaten
wie Autoaufbruch, Diebstahl und Einbruch in dem geschlossenen Jugendheim
untergebracht - vom rheinland-pfälzischen Sozialministerium gemäß
Jugendgerichtsgesetz angeordnet - , um den Betroffenen eine
Untersuchungshaft zu ersparen.
21.11.2003
Gewalt
gegen Obdachlosen - Abstimmung bei RegenbogenWeb
Der Fall Altlußheim bewegt immer noch die Menschen im Regenbogenland.
Acht Kinder und Jugendliche aus Neulussheim sollen einen Obdachlosen in
Altlußheim zu Tode geprügelt haben. Die mutmaßlichen Täter sind zwischen
12 und 14 Jahre alt. Einer ist 19 Jahre. Eine Frage hat sich in unsere
Köpfe förmlich hineinhämmert: Wie können Kinder so etwas tun? Es gibt
Stimmen, die sagen: Eltern beschäftigen sich zu wenig mit ihren Kindern,
haben keine Zeit mehr sich mit den Probleme ihrer Kinder zu befassen.
Glaubt Ihr, dass unsere Kinder durch Vernachlässigung immer mehr
verrohen?
Ja 79,41%
Nein 20,59 %
Stand: 15.11.2003
Hier geht's zur Abstimmung
http://www.regenbogenweb.de/etc/druckversion/index.html?visiblePath=/programm/
aktion2/vote/20031024_102_8.html
Traumatisiert
Zu "Michael ist ein ganz gewöhnlicher Junge", RNZ vom 23.10.2003
Ich möchte vorausschicken, dass ich Berufskollege des Rechtsanwaltes
Steffen Kling bin. Ich darf weiter vorausschicken, dass ich mich
keineswegs als Scharfmacher verstehe. Dennoch hat mich die Formulierung
im Schlusssatz dieses Artikels, wo es hieß "Dieses Trauma muß ein
Jugendlicher erst mal verarbeiten", doch schockiert.
Traumatisiert wurde nämlich durch diesen entsetzlichen Vorfall ein ab
einem gewissen Zeitpunkt hilf- und wehrloser älterer Mann allerdings mit
der Konsequenz, dass er keine Chance mehr hat, diese Traumatisierung
aufzuarbeiten!
Natürlich muß dem tatbeteiligten Jungen geholfen werden. Ich meine aber,
dass diese Hilfe nicht darin bestehen darf und kann, dass mit
Äusserungen wie in diesem Artikel der Eindruck erweckt wird, dass er
mehr oder weniger unbeteiligt in diese Situation hineingeriet bzw. diese
über ihn hineinbrach, ohne dass er in irgendeiner Form in der Lage
gewesen wäre, diese oder jedenfalls eine Beteiligung hieran zu steuern.
Sollte dieser Eindruck in dem jungen Mann erweckt werden, dann wäre dies
sicherlich der schlechteste Hilfsdienst, der ihm in diesem Zusammenhang
zuteil werden würde.
Wolfgang Eisel, Nußloch
Unwürdig
Zu "Trauergottesdienst für Johann Babies am 29.10.2003 in Neulußheim"
An dieser Trauerfeier fand ich vieles ergreifend. Doch, was
Bürgermeister Gerhard Greiner dazu zu sagen hatte, fand ich eher
anstößig. Es wurden die acht Täter mehr als das Opfer in Schutz
genommen.
Dß es dafür in der Kirche noch Beifall gab, empfinde ich dem Opfer
gegenüber mehr als unwürdig.
Ich verstehe jetzt besser, warum BM Greiner täglich Briefe wegen
Verharmlosung der Tat erhält (RNZ vom 30.10.2003 "Der Unmenschlichkeit
keine Chance"
G. Winter, Leimen
www.rnz.de vom 9.11.2003
Ein Ort versteht
seine Kinder nicht mehr
... Die
Kinder kommen alle aus normalen Familienverhältnissen und besuchen
überwiegend die Realschule und das Gymnasium. Auch die Familien seien
sozial fest verankert gewesen, versichert der Bürgermeister. Derzeit
müssen sie sich jedoch massiven Anfeindungen aussetzen. Der evangelische
Pfarrer Uwe Sulger hat als einer von wenigen im Ort Kontakt mit zwei
Kindern. Auch er steht vor einem unfassbaren Rätsel. "Es gibt keine
direkte Erklärung für die Tat."
" Eines ist
für ihn allerdings sicher: "Die Jugendlichen sind gleichzeitig Täter und
Opfer." Der Direktor des Instituts für Kriminologie an der Universität
Heidelberg, Dieter Dölling, vermutet eine ganzes Bündel an Faktoren, die
für das kollektive Verbrechen verantwortlich waren. Die Kinder hätten
sich wahrscheinlich bei ihren Prügelattacken gegenseitig
hochgeschaukelt. Als Einzeltäter käme wohl kein Kind in Frage.
http://newsregional.stimme.de/bw/0,-677136238,0,0,0,0.html
,
Bernd Glebe, 31.10.2003
Trauergottesdienst
- Das Fahrrad am Altar als ein Zeichen des Erinnerns
Gedenk- und Trauergottesdienst beeindruckt über 800 Besucher
Neulußheim. Die Betroffenheit war fast greifbar
und spürbar am gestrigen späten Nachmittag in Neulußheim, als bei unangenehm
nieseligen Regenwetter etwa 800 Menschen aus allen Richtungen in die
evangelische Kirche kamen.
Fast hätte man den Eindruck haben können, dass der Klang der Glocken, die zu
diesem ganz und gar außergewöhnlichen Gottesdienst riefen, viel dumpfer war,
als man dies in der Gemeinde gewohnt ist. Nach und nach füllte sich die Kirche,
auch auf der Empore, sowohl im Rückbereich als auch den Seiten war kein Platz
mehr zu finden, unten im Gotteshaus saß und stand man dicht gedrängt. Viele
Kinder waren gekommen, eine Vielzahl von Jugendlichen war mit dabei, alle
Generationen vereinten sich bei dem Trauer- und Gedenkgottesdienst, bei dem auch
einige Obdachlose, die dem getöteten Johann Babies nahe standen, mit dabei
waren.
Auch Eltern und Verwandte von einigen Tatverdächtigen gehörten zu den Besuchern
des Gottesdienstes, den Pfarrer Uwe Sulger und sein katholischer Amtskollege
Miroslav Ugljar mit gemeinsamen Gebeten eröffneten.
An der Bank bei der überdachten Bushaltestelle brannten wie seit Tagen Dutzende
von Kerzen. Kleine Kränze, Blumen und Sträuße sowie Gestecke machten den
Platz, an dem sich Johann Babies in Neulußheim oft aufhielt, zu einer kleinen
Stätte des Erinnerns und Gedenken.
Das Fahrrad samt Anhänger, das der Obdachlose stets bei sich hatte, stand am
gestrigen Mittwoch direkt neben dem Altar der evangelischen Kirche. Man wollte
damit ganz augenscheinlich an Johann Babies erinnern, den Mann, der seit knapp
einem Jahrzehnt in Neulußheim war und beispielsweise auch steter Gast bei den
alljährlichen im Winter durchgeführten Frühstückstreffen der Obdachlosen,
das die AWo bereits seit einem Jahrzehnt durchführt, mit dabei war.
Musikalisch umrahmt wurde der Gottesdienst von dem Organisten Alexander
Leventhal, der auch die gemeinsam gesungenen Lieder begleitete. Pfarrer Sulger
hatte auch auf die Kollekte hingewiesen, die der "Brücke" in
Schwetzingen zugute kommt, einer Einrichtung, die sich der Menschen annimmt, die
ohne Wohnsitz sind.
Zum Abschluss des einstündigen Gottesdienste
gaben beide Pfarrer den gemeinsamen Segen. In seinem Schlusswort ging Pfarrer
Uwe Sulger kurz auf die Obdachlosen ein und erfüllte die Bitte eines der
Obdachlosen, der ihn während des Gottesdienstes gebeten hatte, doch vor der
gesamten versammelten Gemeinschaft deutlich zu sagen, "dass "wir
Obdachlose doch auch Menschen sind".
Eine Bitte, der Pfarrer Uwe Sulger auch nachkam und dafür bejahenden spontanen
Beifall in der Kirche entgegen nehmen konnte. Ein Beifall, der ein wenig die
Suche nach Befreiung, nach einer Möglichkeit der augenblicklichen Mitteilung
der inneren Beklommenheit verdeutlichte.
ba, www.morgenweb.de
vom 30.10.200
Mord aus Langeweile - Acht Jungendliche erschlagen einen alten Mann
Ohne große Schlagzeilen zu
verursachen geschah ein ungeheuerliches Verbrechen in einer Kleinstadt bei
Heidelberg: Acht Jugendliche erschlugen einen Obdachlosen in einem Waldgebiet
zwischen Reilingen und Neulußheim. Der
54-Jährige wurde brutal mit einem Holzstück zusammengeschlagen, bis er keine
Lebenszeichen mehr von sich gab. Die Polizei im Rhein-Neckar-Kreis ermittelt
gegen die acht Tatverdächtigen: ein 19-Jähriger sowie Jugendliche zwischen 12
und 14 Jahren, darunter zwei Mädchen. Das Erschrecken über die grausame Tat ist
groß: Eltern, Bekannte und Lehrer sind entsetzt und suchen nach Erklärungen.
www.focus.msn.de/F/FT/FTA/fta.htm?thema vom
29.10.2003
Für
mehr Mitmenschlichkeit sorgen - Pfarrer Uwe Sulger
Neulußheim. "Handle menschlich gegenüber
Deinem Mitmenschen", dieses Wort aus dem Buche des Propheten Micha hatte
Pfarrer Uwe Sulger an den Beginn seiner Predigt gestellt. "Heute vor zwei
Wochen hat man nicht gehört, was Gott uns hat wissen lassen," stellte
Sulger fest, es sei kaum nachzuvollziehen, dass man an diesem Tag, an diesem
Abend alle Mitmenschlichkeit habe vergessen lassen.
Niemand hätte um Hilfe gerufen, nicht einmal
anonym war jemand auf die Idee gekommen, auf die Tat aufmerksam zu machen, um so
vielleicht dem Opfer noch helfen zu können.
Wenn hier nun Gottes Gebote gebrochen worden
seien, so stelle sich die Frage, wann dies begonnen habe, sicherlich nicht erst
im Augenblick der Tat im Wald. Uwe Sulger machte deutlich, dass der Getötete
zwar "oft mitten in der Ortschaft, aber nicht mitten in der Gemeinschaft
war". Es sei ein gewisser Zwiespalt, denn ein Obdachloser sei als der
Mensch, der er ist, ebenso ein "Ebenbild Gottes" und dann wieder für
viele ein Stein des Anstoßes zugleich.
Pfarrer Sulger betonte, dass Grenzen im Leben, im Leben miteinander, wichtig
seien, denn "Grenzen behindern nicht nur, sondern schützen auch." Vor
allem warnte Sulger jetzt von allerlei "guten Ratschlägen". Diese könnten
nämlich auch regelrechte "Schläge" sein, auch das sei eine Art von
Gewalt, die meist aus dem Hintergrund komme.
Eine Antwort, wie man Gewalt ausschließen könne,
gebe auch die Bibel nicht. Kain erschlug Abel, Mose musste wegen eines Mordes
fliehen und König David tötete einen Menschen. Pfarrer Sulger appellierte an
jeden Einzelnen, dafür Sorge zu tragen, dass Mitmenschlichkeit zu ihrem Recht
kommen könne.
Schwetzinger Zeitung vom
30.10.2003
Bürgermeister Gerhard Greiner
von Neulußheim zum Totschlag an Johann Babies
Über Nacht ist vieles anders geworden und nichts
ist mehr, wie es war: In einer uns allen unvorstellbaren Weise haben junge
Menschen unserer Gemeinde die Würde eines Menschen niedergeknüppelt und mit Füßen
getreten: der Obdachlose Johann Babies verstarb 54-jährig an den Folgen dieser
schrecklichen Tat.
Entsetzen über den bei ausbleibenden
Kontrollmechanismen brutalen und mitleidslosen Totschlag macht sich breit... Bei
denen, die wissen, dass Ursachen vielschichtig und Antworten daher nicht einfach
sind, auch sehr persönliche Betroffenheit.
Was geht in Kindern und Jugendlichen (keine Ausländer, Asylbewerber oder
Migranten und auch nicht die Bildungsschwachen) vor, die mit derart massiver
Gewalt stundenlang (!) auf einen am Boden liegenden Menschen einschlagen und
-treten? Wo liegen die Ursachen und was kann Antrieb für derart abscheuliches
Verhalten sein?
Gewaltausübung, das wissen wir, ist immer auch eine Folge von Gewalterfahrung
und daher müssen wir auch fragen, wo und in welcher Art und Form Täter und
Tatbeteiligte (physische und psychische) Gewalt in ihrem Lebensumfeld wahrnehmen
und erfahren mussten. Und: Gewalt bestimmt inzwischen über die Medien so maßgeblich
unsere Alltagswahrnehmung, dass es schwer fällt, Grenzen zu den gewaltfreien
Zonen des Lebenszusammenhangs einigermaßen trennscharf zu ziehen.
Ich habe bisher mit keiner und keinem an der Tat
Beteiligten gesprochen und weiß daher nicht, was in den Köpfen (und Herzen)
dieser jungen Menschen vorgegangen ist und jetzt vorgeht. Ich weiß jedoch, dass
sie und ihre Familien unsere Hilfe brauchen und nicht Abwendung, Ausgrenzung oder
gar Verachtung.
Traurig macht mich der Gedanke an das Opfer: Dass
einer, der zu Lebzeiten so viel Schatten erlebt und durchlebt hatte, auch noch
so sterben muss. Genauso traurig und betroffen aber macht mich der Gedanke an
die Täter: Wodurch werden Kinder fähig, so zu handeln? Haben wir als
Gesellschaft, als Gemeinschaft und Gemeinde hier am Ort, in beiden "Fällen"
versagt? Denn: Gefährdet ist unsere Gemeinschaft, so geschlossen sie nach außen
scheinen mag, immer. Sie kann zerbrechen, wenn wir nicht gut miteinander
kommunizieren, wenn jeder nur auf sich schaut, wenn jeder sich hinter seinem
Vorurteil verschanzt. Und sie erstickt, wenn wir Erwachsenen Mauern aufbauen und
uns abgrenzen - gegen Gemeinsinn - in jeweils geschlossenen Systemen unserer
Gesinnung und Interessen.
Was an unvorstellbar Schrecklichem und mit 'normalen' Maßstäben nicht Erklärbarem
geschehen ist, ist nicht rückgängig - und schon gar nicht wieder gut - zu
machen. Gerade dann, aber, muss sich unsere Ortsgemeinschaft tragfähig
erweisen: muss Menschen, die in unserer Mitte unsere Hilfe brauchen, auffangen,
nicht ausgrenzen - und auch nicht allein lassen. Täter, Beteiligte und sie
begleitende Menschen. Und sie muss verantwortlich, also: Antwort - und
Orientierung - gebend, mit der Tat und der Schuld der Beteiligten umgehen.
Einigen Medien kann ich solches nicht bestätigen: Die Sitten und der Umgang mit
der Wahrheit sind in der vergangenen Woche beim hektischen Schielen nach Quoten
und Auflagen zum Teil so verkommen, dass, der Wirkung wegen, sogar bewusst
falsche Bilder in 'Reports' eingespielt wurden.
Gemeinschaft heißt: 'alles miteinander teilen', Stärken und Schwächen. Und:
Raum lassen auch für das eigene Geheimnis. Nur wenn jeder auch für sich sein
kann und darf, kann Gemeinschaft entstehen. Und daher müssen Einsamkeit und
Gemeinschaft in einer gesunden Spannung zueinander stehen.
Manche sterben durch Unfall.
sagt Kristiane Wybranietz
Manche sterben durch Krankheit.
Manche sterben durch Gewalt.
Manche sterben an Altersschwäche.
Manche sterben durch ihre eigene Hand.
Viele sterben an Lieblosigkeit
das ist der schlimmste Tod,
weil man danach noch weiter lebt.
Gemeinschaft muss sehr Unterschiedliches ein- und
zusammenbinden, muss Raum geben und: Grenzen abstecken, muss fördern und (ein-)fordern,
ausgleichen und Chancen aller gerecht zu verteilen suchen. Und: sie muss
verzeihen und vergeben können. Das klingt zunächst nach Nachgiebigkeit: Der
andere kann auf mich draufschlagen und mir bleibt (als Christ) nichts anderes übrig,
als zu vergeben. Ich darf mich nicht wehren, ich muss meinem schlimmsten Feind
verzeihen.
Verzeihen, aber, kommt von Zeihen: "jemanden anschuldigen und
beschuldigen, auf jemanden weisen" und heißt daher: Verschuldetes nicht
anrechnen, einen Anspruch aufgeben, den ich durch die Schuld des anderen habe...
Und: Vergebung steht immer am Ende der Wut und nicht am Anfang. Man braucht die
eigenen Gefühle nicht unterdrücken, wenn man verzeiht.
Was geschehen ist, werden wir in den nächsten Wochen gemeinsam (und sehr gründlich)
aufarbeiten und verarbeiten, das heißt: in konkretes Handeln und Verhalten
umsetzen müssen. Schon jetzt wissen wir, dass Gewalt fördernde Elemente unter
anderem in der fortschreitenden sozialen Erosion gemeinschaftlicher Bindekräfte
liegen: Wo Gesellschaft als Ganzes aus dem Orientierungsfeld verschwindet und
nur noch die Summe von Einzelindividuen übrig bleibt, zersetzen sich auch die
Gemeinschaft bildenden Tugenden:
Traditionelle Ordnungen und Beziehungsgeflechte, die den Einzelnen stärken -
und disziplinieren - zerbrechen: Familie und Vereine, Kirchen und Parteien,
Nachbarschaften im Kleinen und Nationen im Großen - alles auf Abbruch. Alte
Wertvorstellungen und Gesellschaftsbilder haben ihre Gültigkeit verloren, neue
Bindungen sind noch nicht in Sicht. Selbst Eltern sollen sich nicht mehr für
ihre Kinder verantwortlich fühlen; jeder soll Verantwortung für sich selber
tragen - und keiner fragt, ob er es kann. - Insofern ist Neulußheim heute überall:
Die schreckliche Tat von Kindern und Jugendlichen unserer Ortsgemeinschaft kann
(und darf) losgelöst von geschichtlichen, regionalen und strukturellen
Eigenheiten gesehen werden, nicht aber von dem Hintergrund zunehmenden
Gewaltpotenzials, sozialer Erosion unserer Gesellschaft und immer stärkerer
Abgrenzung ihrer Gruppierungen voneinander. Diese Gesellschaft ist nun 'mal
nicht anonym und sie ist auch nicht 'irgendwo da draußen'. Sie ist, zunächst,
hier am Ort - und sie hat ein Gesicht, hat die Namen und Gesichter mehr oder
weniger bekannter Menschen, Frauen und Männer, die allesamt (für ihren
abgegrenzten Bereich) Verantwortung tragen.
"Gewalt beginnt im Kopf, beginnt mit der
Sprache", sagte Klaus Welzel in seinem RNZ-Kommentar am vergangenen
Freitag. Unsere Umwelt heute ist voll hochmilitanter Vokabeln: Firmen führen
Kriege, Produktentwickler suchen nach der 'Killerapplikation', die die
Konkurrenten am Markt vernichtet, Politiker suchen ein Feindbild, werden in
Duelle getrieben, und kaum kehrt irgendwo Ruhe ein, wird schon nach neuer
Konfrontation gerufen. Jugendliche nehmen manchmal wörtlich, womit Erwachsene
nur spielen...
Wie orientieren sich Menschen in unserem
Gemeinwesen und welche Bindungen und Verpflichtungen sind sie bereit,
einzugehen?
Jeder Gewaltausbruch, auch das sollten wir uns verdeutlichen, ist ein Signal.
Wer dem schrecklichen Ereignis (belehrend oder Leserbrief schreibend) mit ein
paar Erziehungstipps beikommen will, hat das Signal nicht verstanden. Unsere
Jugend holt sich ihre Vorbilder im wirklichen Leben. Und solange dort Konkurrenz
bis aufs Messer und gnadenlose Konfrontation die Leitmotive des Handelns sind, können
Nettigkeiten der Pädagogik das Gewaltpotenzial nicht ersticken. Der Beitrag
auch der Schule kann nur dann erfolgreich sein, wenn Kinder und Jugendliche
Erziehungsziele wie Toleranz, Mitmenschlichkeit und Zivilcourage im Alltag
vorgelebt bekommen:
Wo Selbstwertgefühle der Menschen bestärkt werden, ohne dass dies mit der
Entwertung anderer einhergeht, verläuft die Suche nach Anerkennung nicht über
Gewalt.
Insofern gibt es durchaus Regeln, an denen sich Gewaltprävention orientieren
kann: Die Erweiterung des Lebenszuschnitts der Menschen, die Herstellung von
Kommunikationsfähigkeit, die Schaffung von Bedingungen, unter denen Arbeit auch
Selbstverwirklichung sein kann. Das sind Bauelemente für eine Gesellschaft, in
der Gewaltbereitschaft in engen Grenzen gehalten werden kann. - Allerdings hat
die Meinung, dass Menschen nicht nur unterschiedlich, sondern auch
unterschiedlich viel wert seien, Tradition in unserer Gesellschaft, die vielfach
den Respekt verloren hat vor dem Leben, vor der Würde eines jeden Menschen, so
wie er ist.
Die Lebensfähigkeit und der Friedenszustand unserer Gesellschaft und unserer
Ortsgemeinschaft sind abhängig von der Beziehungsarbeit, die den pfleglichen
Umgang mit der Natur und mit den Menschen bezeichnet und nur dann gelingen kann,
wenn wir das Problem des sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft wieder in den
Vordergrund rücken und Menschen als gesellschaftliche Lebewesen begreifen.
Und da gibt es kein Zusammenleben ohne Verzeihung, denn wir werden, ob wir
wollen oder nicht, einander immer wieder verletzen.
Rechnen wir diese Verletzungen einander auf, erzeugen wir einen Teufelskreis der
Kränkung. Überspringen wir sie, erzeugen sie in uns Bitterkeit und Aggression,
die wir bei nächster Gelegenheit als Vorwurf, Kritik oder Ressentiments nach außen
tragen. "Irgendwann werden wir es den anderen heimzahlen"... so
erzeugt eine Schuld die andere.
Verzeihen unterbricht diesen Teufelskreis der Wiedervergeltung. Verzeihen
reinigt die Atmosphäre und ermöglicht uns, die wir verletzt sind und immer
wieder verletzen, ein menschliches und gegenseitig verantwortliches Miteinander.
Auch über den heutigen Tag hinaus.
Ich wünsche dem Opfer Johann Babies, dass er einen Platz gefunden hat, an dem
es ihm besser geht als - von allen unerwünscht - mitten unter uns.
Den Tätern und den an der Tat Beteiligten wünsche ich - trotz der großen
Schuld, die sie auf sich geladen haben - Menschen, die sie nicht an
Lieblosigkeit sterben lassen. Menschen, die ihnen auch und gerade jetzt zur
Seite stehen, sie auffangen, sie halten und, als Glieder unserer Gemeinschaft,
in eine für sie hoffnungsvolle, gute und vielleicht auch wieder einmal
freudvolle Zukunft tragen und begleiten
www.neulussheim.de,
29.10.2003
Aufladung unserer elektronischen Medien mit dem Stilmittel brutaler
Gewalt
Mühe haben wir, haben die
Verantwortlichen mit der Erklärung einer schlimmen Tat, die unsere
Region beschäftigt - wo ein Obdachloser im Rhein-Neckar-Kreis von
Jugendlichen, teilweise Kindern, erschlagen wurde. Einfach so.
Wund wieder einmal stellt sich die Frage nach der Gewalt in der
Gesellschaft, die schon nach dem Erfurter Amoklauf thematisiert wurde.
Wieder einmal stehen alle ziemlich hilflos vor einer solchen fast
pogromartigen Tat.
Will aber jemand im Ernst noch
behaupten, die Aufladung unserer elektronischen Medien mit dem
Stilmittel brutaler Gewalt habe keine Auswirkungen auf die
Gewaltdisposition Jugendlicher?
Das Opfer
wurde stundenlang gequält. Das ist eine neue Dimension der
schrankenlosen Grausamkeit, die erschreckt. Wir sollen und
wollen mehr über die Hintergründe einer solchen Tat wissen, um zu
begreifen, was da schief gelaufen ist.
Manfred Fritz in der RNZ-Leserecke vom
25.10.2003, www.rnz.de
So schockierend der Totschlag eines
Obdachlosen in Neulußheim durch vermutlich acht Jugendliche auch ist:
Das Verbrechen dokumentiert lediglich auf drastische Weise, dass Gewalt
mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert ist. Das Recht des Stärkeren,
Potenteren, Reicheren, Brutaleren wird auf allen gesellschaftlichen
Ebenen vorgelebt. Nicht nur auf dem Schulhof, wo Erpressung mittlerweile
zum Alltag gehört. Das nennt man dann modisch "rippen". "Echte" Gewalt
gibt es aber auch im Fernsehen oder am Computer oder beim Musiksender
MTV als "coole Spiele" fürs Handy: Beim ersten Spiel fährt der Spieler
so viele Fußgänger wie möglich tot. - "Hol sie dir" - Beim zweiten Spiel
betritt man einen Raum und tritt einem Wehrlosen so lange ins Gemächt
bis . . . ? Ja bis zum Beispiel ein 19-Jähriger immer und immer wieder
sagt, "Penner" hätten kein Recht zu leben - und Taten folgen lässt.
Gewalt beginnt im Kopf, beginnt mit der
Sprache. Wenn es sich bei den beiden bestverkauften
US-Kinofilmen um so genannte "Schlachthausfilme" handelt, und wenn dort
umgekehrt Kinohelden, die in ihren Filmen immer nur "abknallen" in
Politik und Gesellschaft ganz oben stehen, dann stimmt das Wertebild
längst nicht mehr. Doch es geht hier nicht um eine Amerika-Schelte. Es
geht darum, dass die Gesellschaft auch hierzulande - mit einer
Zeitverzögerung von ein paar Jahren - verroht. Also: Tötet die Gewalt in
den Köpfen.
Klaus Welzel,
www.rnz.de vom 24.10.2003
Nach der Bluttat von Neulußheim: Wie geht
man mit den jugendlichen Tätern um? - Eine Gemeinde macht sich an die
Aufarbeitung des Dramas.
Der Schulalltag soll am Gauß-Gymnasium wieder zurückkehren. Hier wurden
auch zwei der Kinder unterrichtet, die bei der Erschlagung des
"Waldmenschen" dabei waren. Schüler und Lehrer brauchen dort jetzt
Hilfestellung von Experten.
Neulußheim. Wenn am kommenden Mittwoch,
29.10.2003, in Neulußheim eine kirchliche Trauerfeier für den getöteten
"Waldmenschen" stattfindet, dann wird zum gleichen Zeitpunkt der
54-Jährige in seiner Heimatstadt Siegburg beigesetzt. In Neulußheim
werden die Menschen trauern, um den Erschlagenen, aber auch Mitgefühl
für die Eltern jener Kinder zeigen, die bei der unvorstellbaren Tat
dabei waren. Sie alle stammen aus der kleinen Gemeinde im südlichen
Rhein-Neckar-Kreis. "Ja, wir wissen aus welchen Familien", die Kinder
kommen, sagt Bürgermeister Gerhard Greiner. Und er sagt auch: " Keiner
zeigt mit dem Finger auf sie." Sie wollen den jugendlichen Tätern oder
Mittätern Beistand leisten, sie jetzt nicht ausgrenzen. Wenn Greiner
sagt, "das sind die schwersten Tage meiner zehnjährigen Amtszeit als
Bürgermeister", dann darf man ihm das glauben. In der Todesanzeige, von
Gemeinde und Kirchengemeinde aufgegeben, bekommt der "Penner-Paul", wie
der Getötete genannt wurde, erstmals einen Namen: Johann Babies hieß er.
Nein, vergessen wollen die Neulußheimer
nicht. "Offensiv" will sich der Bürgermeister den schrecklichen
Ereignissen stellen. Die "Emotionen", die die Bluttat hervorrief, sollen
in "gute Bahnen" gelenkt werden. Genau daran arbeiten zurzeit viele: Die
Polizei mit ihren Programmen zur Gewaltprävention an Schulen, die
Schulpsychologen, die Pfarrer, die Lehrer. Sie alle versuchen eine
Antwort auf eine Tat zu finden, die so sprachlos macht. Dabei muss eines
klar sein, auch wenn das Entsetzen über die ausbleibenden
Kontrollmechanismen bei den Kindern und Jugendlichen groß ist: diese
jungen Menschen brauchen dringend Hilfe. Die darf und kann aber nicht so
aussehen, dass sich die am furchtbaren Geschehen Beteiligten jetzt -
über ihre Rechtsanwälte - gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben.
Von einem 14-Jährigen kann man in einer gewaltbereiten Gesellschaft
(dabei ist nicht das Elternhaus gemeint) nicht ohne weiteres erwarten,
dass er in der Lage ist, eine moralische Schuld auf sich zu nehmen, auch
wenn er "nur" Zuschauer war. Ihm muss erst einmal klar gemacht werden,
was es bedeutet, ein Menschenleben zu vernichten. Und die Anwälte sind
schlecht beraten, über ein Boulevardblatt ihre jugendlichen Mandanten
sprechen zu lassen. Denn ob der 19 Jahre alte, über zwei Meter große und
schwergewichtige Markus S. von den Kindern aufgestachelt wurde, oder ob
die jugendliche Clique von jenem Markus in eine unheilvolle Situation
hineingetrieben wurde, das wird erst die Hauptverhandlung ergeben. Fakt
ist, dass der 19-Jährige nicht - wie zuerst mitgeteilt - schon
vorbestraft ist. Allerdings wurde er zwei Mal aktenkundig bei der
Polizei - wegen Körperverletzung. Fakt ist übrigens auch, dass sich die
Ermittlungsbehörden bei den Vernehmungen bzw. den Verhören der sieben
Kinder und Jugendlichen mehr "Betroffenheit gewünscht" hätten. Zu hören
war, dass die "stoische Gelassenheit" der Jugendlichen als ein "Indiz
für eine gewisse Gefühlskälte" ausgelegt werden kann. Und kolportiert
wird auch, dass die betroffenen Jugendlichen untereinander darüber
sprachen, dass "die Polizei bei solch einem sicher nicht so gründlich
nachforschen".
Jetzt, im Nachhinein, so sagen die
Anwälte, könnten sich weder der 19 Jahre alte Hauptverdächtige, noch die
beteiligten Kinder die Tat erklären. Aber so ganz unerklärlich erscheint
die grausame Tat nicht, wenn man den Worten des Schwetzinger Anwalts
Manfred Zipper glauben darf. Der sagt, dass der 19-Jährige, der in
Adelsheim in Untersuchungshaft sitzt, zusammen mit anderen Jugendlichen
und Kindern an der Hütte des Obdachlosen gewesen sei und dieser sie
vertrieben und mit einem Spaten bedroht habe. Dass die Schüler "Stress"
mit dem Mann im Wald hatten, das erzählen sich auch die Mitschüler auf
den Pausenhöfen. Aber deshalb einen Menschen erschlagen? Die Gewalt als
Mittel der Auseinandersetzung, das Recht des Stärkeren diese Diskussion
betrifft aber nicht nur die "unglücklichen Kinder" und ihre Eltern aus
Neulußheim, sondern sie betrifft uns alle. "Der friedlich Waldbewohner
war das typische Opfer", sagte ein Ermittler. Er hatte gegen einen
Zwei-Zenter-Mann und eine Jugendclique, die kein Mitleid kannte und
nicht den Mut aufbrachte, die Polizei zu verständigen ( wenn sie nicht
an der Tat beteiligt waren), keine Chance.
....
Ingrid Thoms-Hoffmann in der RNT vom 24.10.2003,
www.rnz.de
In Neulußheim überschritten Kinder und
Jugendliche eine Hemmschwelle - Dringend geboten: Ein Blick auf die
Mediengewohnheiten
Der Amoklauf eines Schülers in Erfurt
vor etwas mehr als einem Jahr erschütterte die Republik. Auch wenn er,
was die Tatfolgen angeht, in keiner Weise einen Vergleich zulässt mit
dem brutalen, mitleidslosen Totschlag an einem Wohnsitzlosen in einem
Wald bei Neulußheim im Rhein-Neckar-Kreis - in einem Punkt berühren sich
die beiden Gewalttaten doch: In der Frage nämlich, wie hier Jugendliche,
zum Teil sogar Kinder, sei es als Mittäter, Anstifter oder aktive
Zuschauer, die Hemmschwelle einer bis zum letzten, tödlichen Exzess
exekutierten Gewaltbereitschaft überschreiten konnten. Offenbar nicht
gebremst durch die natürlichen Hemmsignale von Mitleid-erregenden
Äußerungen des zwei Stunden lang gequälten Opfers, das dann später an
den Folgen der zugefügten Verletzungen starb.
Die bedrückende Frage nach der Gewaltursache beschäftigt die Region. Sie
ist im Prinzip auch nach Erfurt schon gestellt - und nicht beantwortet
worden. Zwar wurde damals in gesetzgeberischem Aktionismus das
Waffenrecht noch einmal verschärft. Gegenüber denen, die das lukrative
Geschäft mit der Gewalt betreiben, nämlich den Herstellern von
Gewaltspielen und Gewaltvideos, begnügte man sich mit einer Art
freiwilligen Selbstverpflichtung, diese audiovisuelle Pornographie
Jugendlichen nicht mehr so leicht zugänglich zu machen.
Dass Jugendliche diese neue Form der
Gewaltbereitschaft nicht vom Elternhaus oder der Schule vermittelt
bekommen, leuchtet ein. Woher aber dann? Die Wissenschaft ist sich einig
darin, dass das Ausmaß an Gewalt in den Medien stets ein Spiegel der
Gesellschaft war und ist.
Gewalt als Manifestation von Macht zielt laut sozialwissenschaftlicher
Definition darauf ab, Einzelne oder Gruppen von Menschen zu schädigen.
Sie ist als individuelle oder kollektive "Herrschaftsform" auch immer
ein Weg - meist schwacher Menschen - , sich über andere, noch
Schwächere, zu erheben und dadurch ein relatives Gefühl der Macht zu
erleben. Dies ist auch ein bekanntes faschistoides Prinzip und nicht
neu.
Aber noch nie
in der Geschichte hat es einen solchen technischen Perfektionsgrad und
so viele frei zugängliche Wege gegeben, die vorhandene Nachfrage nach
medialer Gewaltdarstellung zu befriedigen - und Gewalt als Ware zu
vermarkten. Wobei es keine wirksamen Möglichkeiten gibt,
Kinder und Jugendliche von dieser perversen Form der Unterhaltung
auszuschließen. Was elterliche Restriktionen bei der Fernsehnutzung
bewirken könnte, wird durch den Konsum von Gewaltvideos im Freundeskreis
wieder zunichte gemacht.
Festzuhalten bleibt: Gewalt ist eines
der attraktivsten TV-Sendeformate, das mit der Einführung des privaten
Unterhaltungsfernsehens dramatisch zugenommen hat. In einer großen
Untersuchung über TV-Gewalt (Groebel/Gleich), wurden im täglichen
TV-Gesamtangebot schon vor zehn Jahren 70 Mordszenen registriert. In den
Privatsendern etwa drei Mal mehr als in ARD und ZDF. In zwei Drittel der
Fälle fehlte im Handlungskontext ein Motiv - der Gewaltakt wurde zum
unterhaltenden Selbstzweck. Gewalt wird in diesem Genre als normales
Mittel eingesetzt, "Probleme" jeder Art zu lösen, sie wird als
alltägliche Verhaltensstrategie gezeigt, auf die auch ganz normale
Menschen zurückgreifen. Gemeinsam ist der medial vermittelten Gewalt,
dass das anschließende Leiden des Opfers oder von Angehörigen nicht
gezeigt wird, was ein verzerrtes Abbild der Alltagswirklichkeit ergibt.
Können Erwachsene in der Regel zwischen
fiktionaler Fernsehrealität und Lebenswirklichkeit unterscheiden, fällt
dies Heranwachsenden viel schwerer. Bei ihnen lösen Gewaltdarstellungen
viel leichter Allmachtsfantasien aus, die dann kompensatorisch für
Negativerfahrungen eingesetzt werden können. Mediengewalt stumpft ab,
sie kann die Flucht vor konkret erlebten Problemen im Elternhaus
erleichtern, aber auch zur Identifikation mit den fiktionalen
Gewalttätern anregen und eigene Gewaltanwendung legitimieren.
Auch wenn der direkte Zusammenhang
zwischen dem vermehrten Konsum fiktionalen Gewalt und einer wachsenden
jugendlichen Verrohung und Brutalisierung bis heute umfassend nicht
nachgewiesen ist, bzw. ein signifikanter negativer Einfluss nur für
bestimmte Charakterprofile sicher angenommen werden kann, darf von
dieser Quelle der Gewaltzunahme nicht ständig abgelenkt werden. Denn hin
und wieder stehen wir dann vor einer Tat, die mit "normalen Maßstäben"
nicht mehr erklärt werden kann. Und wo dann auch ein Blick auf die
Mediengewohnheiten solcher Täter oder Mittäter dringend geboten ist
Manfred Fritz in der RNZ vom 24.10.2003,
www.rnz.de
Lara Croft zeigt es allen. Die
Comic-Figur, die längst im Kino aus Fleisch und Blut agiert, ist schön,
stark und gewaltbereit. Was aggressive Männer können, kann sie schon
längst. Eine neue Heldin ist geboren. Eine Heldin?
Im Neulußheimer Wald, als der "Penner-Paul"
erschlagen wurde, da waren auch Mädchen dabei. Nein, mit Lara Croft
haben sie nichts gemein. Aber die virtuelle Starke zeigt, wohin die
gesellschaftliche Reise in Sachen Gewaltbereitschaft unter Mädchen geht.
Der Film macht es vor und ist doch längst nur Abbild der Wirklichkeit.
Hier sollen nicht die Mädchen verurteilt werden, die zusahen, als ein
Mensch unter Qualen starb. Wir wissen nicht, wie sie dazu kamen, wir
wissen nichts von ihren späteren Nöten und der Reue. Wir wissen auch
nicht, ob es stimmt, dass sie "aufhören" schrieen. Wir wissen nur, dass
sie sich nicht ihren Eltern oder der Polizei mitteilten und wir wissen
generell wenig über die Gewaltbereitschaft bei Mädchen.
Bisher sehen die wissenschaftlichen
Erkenntnisse so aus: Von 1984 bis 1997 hat sich der Anteil der
männlichen Jugendlichen, die als Tatverdächtige einer Gewalttat
registriert wurden von 0,5 Prozent auf 1,7 Prozent erhöht. Bei den
Mädchen stieg er von 0,1 auf 0,3 Prozent an. Diese
geschlechtsspezifischen Unterschiede, so die Expertenmeinung, werden
maßgeblich durch die elterliche Erziehung beeinflusst. Gewalthandlungen
von Mädchen werden von Eltern deutlich stärker abgelehnt, als solche von
Jungs. So werden Mädchen und junge Frauen in gewaltbereiten
Jugendgruppen entweder als "Anhängsel" dominierender männlicher
Jugendlicher oder als "verirrte Rebellen" wahrgenommen. Aus diesem
Schema wollen gewaltbereite Mädchen ausbrechen. Es entspricht , so sagen
die Forscher, nicht ihrem Bild von "Weiblichkeit" . Verbale
Konfliktlösungen erscheinen ihnen zu wenig nachhaltig, sie verlangen von
ihrem jugendlichen Umfeld "Respekt" und sie schlagen zu.
Wenn die Diskussion jetzt über gewaltbereite Jugendliche neu entfacht
wird, dann darf eines nicht vergessen werden: das Thema Jugendgewalt ist
nicht neu. Die ersten Bericht über gewalttätige Jugendliche wurden 1958
im "Spiegel" veröffentlicht. Und auch der immer wieder gehörte Satz:
"Das hat es in diesem Ausmaß noch nie gegeben", ist nach Meinung der
Leute, die sich damit in Forschungsarbeiten auseinandersetzten, schlicht
falsch. Denn 1970 war der Anteil der Jugend an der Gesamtheit aller
Mörder und Totschläger wesentlicher höher als heute, so ihr Fazit. Dem
widersprechen allerdings andere Wissenschaftler. Da es an
Langzeitstudien mangelt, könne darüber nichts endgültiges gesagt werden.
Nur soviel: Es gibt einen "qualitativen" Wandel. Während die
Gesellschaft heute insgesamt sensibler gegenüber Gewalt reagiere,
scheinen einzelne jugendliche Gewalttäter brutaler als früher
vorzugehen. Lara Croft ist unter uns
Ingrid Thoms-Hoffmann in der RNZ vom
24.10.2003, www.rnz.de
Boar
ist das assozial
...da müssen jetzt aber harte Strafen
her....
mist mit 12 ist man ja noch nicht Strafmündig ...das sollte auch
geändert werden wenn man bedenkt wieviele "Kinder" straffällig werden
Forum von
www.mehr-gelassenheit.de
am 23.10.2003
Es gibt
kein Rezept, wie man mit so einer Tat umgeht
Ein runder Tisch mit Eltern, Schulen,
Polizei, Kirchen und Psychologen soll helfen, das Neulußheimer
Verbrechen aufzuarbeiten
Nach der Bluttat an einem Obdachlosen
herrscht in Hockenheim und Neulußheim Fassungslosigkeit. Was soll mit
den acht Jugendlichen geschehen, die zwei Stunden lang auf "Penner-Paule"
eingeschlagen haben? Und wie können die Schulen mit dieser Situation
umgehen? Gestern haben Polizei, die betroffenen Schulen, das Staatliche
Schulamt Heidelberg, die Kirchen, das Jugendamt und die
Schulpsychologische Beratungsstelle Mannheim eine Krisensitzung
einberufen.
Wie kann man in einer solchen Situation
Unterricht halten? Das fragen sich die Lehrer der acht Jugendlichen, die
die Lußhardtschule in Neulußheim, die Theodor-Heuss-Realschule in
Hockenheim und das Gauß-Gymnasium in Hockenheim besuchen. Wie verhält
man sich den mutmaßlichen Tätern gegenüber? Wie geht man mit den
Mitschülern um? "Es gibt kein Rezept", sagte Elisabeth Groß, Leiterin
des Staatlichen Schulamtes Heidelberg, die den runden Tisch gestern
leitete. Zunächst sollen Informationen ausgetauscht werden: Noch in
dieser Woche werden alle drei Lehrerkollegien umfassend über die
Situation informiert, die Schulleitungen holen sich dabei Unterstützung
vom Schulpsychologischen Dienst.
...
Schwetzinger Zeitung vom 23.10.2003, ganzer Artikel auf
www.morgenweb.de
Es
waren 7 Kids ...
es waren 7 Kids (12-14 Jahre) darunter 2 Mädchen und
ein 19 jähriger, der bei der Tat federführend gewesen sein soll
der 19 jährige hat wohl schon öfter angedroht, den Obdachlosen fertig
machen zu wollen
die kids sind von der Schule freigestellt worden
http://www.mehr-gelassenheit.de/FORUM/ipb/index.php?s=65ce6f5af53f1c2212687dd6814e78b7&showtopic=1651
22.10.2003
Schlugen sogar Zwölfjährige zu? - Nach Bluttat erschreckende
Geständnisse
Selbst hartgesottenen Polizeibeamten stockte der Atem bei den Verhören:
Der erschlagene 54-jährige Wohnsitzlose, der, wie gemeldet, im Wald
zwischen Reilingen und Neulußheim am letzten Donnerstag entdeckt worden
war, muss ein wahres Martyrium bis zum Tod durchlitten haben. Unter
dringendem Tatverdacht steht ein 19 Jahre alter Mann aus dem Raum
Neulußheim/Altlußheim, der inzwischen im Mannheimer Gefängnis in
Untersuchungshaft sitzt. Doch nach den bisherigen Ermittlungen gehen
Staatsanwaltschaft und Polizei davon aus, dass acht Jugendliche und
sogar Kinder von zwölf Jahren bei dem Verbrechen beteiligt waren.
Darunter zwei Mädchen.
Angenommen wird, was die Beschuldigten
zum Teil auch zugeben: Mindestens drei oder vier von ihnen unterstützten
den "Anführer" und schlugen und traten abwechselnd auf das Opfer ein.
Nach den Geständnissen über zwei Stunden lang! Nach Aussage der
Befragten hätten sie am Abend des 15. Oktober den Mann, der in einer
Waldhütte Unterschlupf gefunden hatte, mit einem mitgebrachten
Holzknüppel, einem vorgefundenen Besenstiel sowie herumliegenden Ästen
immer wieder traktiert. Der Rest soll sie angefeuert haben. Laut
Obduktion der Leiche in Heidelberg starb der 54-Jährige an einer
Vielzahl von Verletzungen, darunter massiven Knochenbrüchen, verbunden
mit starker Unterkühlung.
....
Schwetzinger Zeitung vom 21.10.2003, ganzen Artikel auf
www.morgenweb.de lesen
Totschlag eines Wohnsitzlosen: Jugendliche prügelten zwei Stunden lang
auf ihr Opfer ein
Kreis der Tatverdächtigen erweitert - jüngster mutmaßlicher Mittäter war
erst 12 Jahre alt
Erschreckende Details offenbarten die weiteren Ermittlungen im Fall des
mutmaßlichen Totschlags eines Wohnsitzlosen, dessen Leiche am
Donnerstagnachmittag (16.10.) im Wald zwischen Reilingen und Neulußheim,
Gemarkung Altlußheim, aufgefunden worden war. Über zwei Stunden lang -
so die Angaben der Beschuldigten - habe man am Mittwochabend (15.10.2003)
mit einem mitgebrachten Holzknüppel, einem vorgefundenen Besenstiel
sowie herumliegenden Ästen immer wieder auf den Mann eingeschlagen. Die
Obduktion der Leiche ergab, dass der 54-jährige Wohnsitzlose an der
Vielzahl seiner Verletzungen, verbunden mit starker Unterkühlung
gestorben ist. Der erst 19 Jahre alte Haupttatverdächtige (das
zwanzigste Lebensjahr vollendet er erst in einigen Wochen) befindet sich
auf Antrag der Staatsanwaltschaft Mannheim seit Samstag in Haft.
Nach derzeitigem Ermittlungsstand gehen Staatsanwaltschaft und Polizei
davon aus, dass insgesamt acht Personen an der Tat beteiligt waren. Der
19-jährige Hauptverdächtige und seinen drei 14 Jahre alten mutmaßlichen
Mittätern waren bereits am Freitag, 17.10. vorläufig festgenommen
worden. Mittlerweile richtet sich der Tatverdacht gegen vier weitere
Kinder bzw. Jugendliche, darunter zwei Mädchen.
Keiner ist älter als 14 Jahre, der jüngste gerade einmal 12 Jahre
alt.
Die Tatbeteiligung der einzelnen Verdächtigen ist Gegenstand der zur
Zeit noch andauernden Vernehmungen. Festzustehen scheint, dass
mindestens fünf Verdächtige auf ihr Opfer eingeschlagen und eingetreten
haben.
RNZ vom 20.10.2003,
www.rnz.de
Links
http://www.gewalt-in-der-schule.info/
Gewaltprävention am Berufsschulzentrum -
Fachstelle Freiburg
www.freiburg-ost.de/jugend1.htm
Kommentiertes und rubriziertes
Linkverzeichnis zu Gewalt in den Medien und in
Computerspielen. Ein Forum ist ebenfalls vorhanden.
www.mediengewalt.de/
©
by www.hilfe-HD.de,
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Update: 04.05.05 |