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Selbsthilfe 1
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"Wer bietet mehr": Ein voller
Erfolg war die Auktion zu Gunsten des Vereins "Hilfe zur
Selbsthilfe" beim Spargelmarkt, li. oben.
Viele Besucher fanden den Weg nach Walldorf. Ihnen wurde ein
vielfältiges Programm geboten. Schmecken lassen konnte man sich
natürlich auch Spargel - der mundete am besten aus der Hand von
Verena I., li. unten. Foto: Pfeifer
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Walldorf. (seb) Wie es sich Bürgermeister Merklinger in seiner
Eröffnungsrede gewünscht hatte, wurde der Spargelmarkt zu einem Fest der
Freude. Am Samstag ließ es sich etwas schleppend an. Das Wetter war kühl
und windig. Nur der Rummel an der Drehscheibe zog einige Wagemutige an,
die sich auf die Schiffsschaukeln oder das "Discovery"-Ungetüm wagten,
das sie unausgesetzt rotieren ließ. Da wurde einem schon vom Zuschauen
schlecht. Am Nachmittag, als es aussah, als wolle die Sonne eine Weile
bleiben, füllten sich die Bänke vor der Bühne am Marktplatz. Viele der
Besucher waren wegen der Kindermodenschau des Bekleidungsgeschäfts
"Birgit und Jochen" erschienen - irgendwann muss der Sommer ja kommen,
und da möchte man seinen Nachwuchs ordentlich einkleiden. Verbunden war
die Modenschau mit Vorführungen von jungen Schülern der Tanzschule
Kronenberger. Eine Schar Kinder flitzte beispielsweise mit Schirmen und
in Regencapes zu einem "Sauwetterlied" von Rolf Zuckowski über die
Bühne, und eine Gruppe jugendlicher Mädchen tanzte rhythmisch auf jene
sportlich-lässige Weise, wie sie typisch für Hip Hop ist.
Um die Kinder zu unterhalten, hatte die Arbeiterwohlfahrt (AWO) das
"Spielmobil" aus Ladenburg geschickt. Beim Kistenstapel-Wettbewerb galt
es, einen Turm aus möglichst vielen leeren Getränkekästen zu errichten.
Dazu musste man daran empor klettern, und das war eine ziemlich wacklige
Angelegenheit. Fatih Gülmez, der ehrenamtlich für die AWO tätig ist,
hielt das Seil, mit dem die Kinder gesichert waren, und versicherte
Zweiflern immer wieder, dass er sehr wohl kräftig genug sei, so leichte
Kletterkünstler zu halten. Glaubt man der zehnjährigen Julia Schaefer,
ist das alles halb so wild. Bei ihr sah es so einfach aus, als sie 13
Kisten aufeinander stapelte und sich damit auf über vier Meter Höhe
aufschwang. "Das ist nicht schwierig", meinte Julia nonchalant, "das hab
ich schon einmal geschafft". Das Gleichgewicht zu halten sei das
Wichtigste, erklärte sie, und das könne sie so gut, weil sie als Hobby
Einrad fahre. Angst hatte sie keine, sie war hochkonzentriert, und: "Ich
hab einfach nicht hinunter geschaut." Großer Andrang herrschte beim
Schminken: Die Schülerinnen Annkathrin Gehrig und Angela Schilling, die
schon geraume Zeit mit der AWO zusammen arbeiten, verwandelten die
Kinder in wilde Raubtiere oder schmückten ihre Wangen mit
Blumenornamenten. Der Phantasie waren fast keine Grenzen gesetzt: Einige
Eltern waren jedoch gar nicht begeistert, als die Wahl ihres Kindes zum
Beispiel auf die gruselige Fratze Draculas fiel.
"Jedes Kind kann irgend etwas gut" hieß es bei Kinderbuch-Autor Jörg
Schreiner auf der Oberdorf-Bühne. Er las aus der Geschichte von Theo
Tollpatsch vor, der ziemlich ungeschickt ist und oft ausgelacht wird -
eine Figur, mit der sich gerade Kinder, aber auch Erwachsene
identifizieren konnten. Theo Tollpatsch soll Kindern Mut machen, ihre
Talente zu entdecken, und ihnen das Selbstvertrauen geben, sich zu
behaupten. Und witzig war das Spektakel auch, da Jörg Schreiner nicht
einfach nur vorlas: Er untermalte die Geschichte mit Geräuschen, wie
Bienensummen oder Weckerklingeln, und sang daneben auch
selbstkomponierte Lieder. Als er sein junges Publikum zum Mitmachen
aufforderte, tanzten und tobten die Kinder fröhlich über die Bühne.
Samstag Abend drängten sich die meisten Besucher am Marktplatz und
genossen bei einem Bier die Show von Stefanie Nerpel und ihrer Band. Mit
Rock und Pop, aber auch Irish Folk, sorgte die Sängerin, die durch die
Casting-Show "Star Search" bekannt wurde und eine angenehme Stimme hat,
für eine tolle Stimmung. Zwischen den einzelnen Liedern scherzte Steffi
Nerpel mit dem Publikum, und da sie aus Waibstadt kommt, bemühte sie
sich gar nicht erst, Hochdeutsch zu reden (was Baden-Württemberger nach
einem bekannten Werbeslogan sowieso nicht beherrschen). Spaßeshalber
ließ sie sich bei einem Lied, ohne im Singen inne zu halten, von ihrer
Schwester Julia die Haare schneiden. Einige Male gab sie auch an ihre
Backgroundsängerinnen ab, die nicht minder begabt waren; Thanh Mai
Susann Kiêù, die auch hervorragend Geige spielt, sang "Queen of pain"
von Alanis Morissette, und Nicole Antoni begeisterte die Zuhörer mit
"Highway to hell".
Ein großer Erfolg wurde die Auktion zu Gunsten des Vereins "Hilfe zur
Selbsthilfe". Insgesamt 77 Artikel, gespendet von der Stadt, von
Vereinen, Geschäften und einzelnen Personen aus der Region, kamen unter
den Hammer. Die Bieter machten ein Schnäppchen, unterstützten auch noch
einen guten Zweck, und hatten dabei eine Menge Spaß: Zum einen war der -
freundschaftliche - Wettstreit sehr spannend, zum anderen waren die
Kommentare von Auktionsleiter Joachim Rodenbusch vom "Walldorfer
Auktionshaus" sehr witzig. Immer behielt er einen erwartungsvollen,
herausfordernden Gesichtsausdruck: "Bieten Sie mehr?", wollte er
unablässig wissen. Bei Ablehnung fragte er sofort: "Warum nicht?" War
ihm das Gebot zu niedrig, meinte er ein Mal lakonisch: "Dafür kriegen
Sie den Rahmen, aber das Bild noch nicht." Originell waren die Ideen von
Förster Gunter Glasbrenner: Er versprach, für den, der den Zuschlag
erhielt, Weihnachtsbäume für die kommenden drei Jahre zu fällen sowie
persönlich einen Festtagsbraten zu schießen. Was für ein Tier dies sein
würde, blieb ein Geheimnis. Der Wert der zahlreichen Werke, die von
Walldorfer Künstlern gespendet worden waren, war freilich nicht zu
ermessen. Sehr umkämpft war beispielsweise die Speckstein-Plastik "Paar"
von Bildhauer Peter Lubasch; die abstrakte Farbradierung "Im Süden" der
erfolgreichen Künstlerin Monika Klein erzielte einen hohen Preis; und
heiß begehrt war auch das "Blumenstillleben" von Gottfried Keim: Die
Leuchtkraft der Farben erinnerte Joachim Rodenbusch an den
Expressionisten Emil Nolde, und da gaben ihm alle Anwesenden recht.
Marianne Falkner vom
Verein "Hilfe zur Selbsthilfe" betrachtete das
Geschehen mit wachsendem Entzücken. "Das läuft super", meinte sie, "das
wird zur Tradition!" Freudig überrascht stellte Sigrid Tuengerthal,
Schriftführerin des Vereins, fest, dass insgesamt 4930 Euro zusammen
gekommen waren. Der Erlös kommt in vollem Umfang den Projekten des
Vereins zugute.
RNZ vom 16.6.2005, www.rnz.de
Manfred Lautenschläger stiftete 300000 Euro - Wenn wir mit 20 Millionen
kommen, geht's schneller
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Manfred Lautenschläger (links, mit Professor Markus Büchler)
spendete 300000 Euro für die "Stiftung Chirurgie". Foto: Rothe
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Heidelberg braucht in den nächsten zehn Jahren eine neue Chirurgische
Universitätsklinik: So die Vision des Ärztlichen Direktors Professor
Markus W. Büchler und seiner Mitstreiter, die für eine entsprechende
Stiftung um finanzielle Unterstützung bitten oder selbst spenden. Einmal
mehr ging der MLP-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Lautenschläger dabei
mit gutem Beispiel voran und stiftete 300000 Euro.
Das Geld ist allerdings nicht für einen Klinik-Neubau, sondern für
eine Studie bestimmt. Diese soll die Wirksamkeit einer neuen Therapie
bei Bauchspeicheldrüsenkrebs nachweisen.
Die Zielsetzungen der im Februar 2003 gegründeten "Heidelberger
Stiftung Chirurgie" sind weit gefasst. Das Geld kann in die medizinische
Forschung fließen, aber ebenso für Fortbildungsmaßnahmen des Personals
oder die Verschönerung von Krankenzimmern verwendet werden. Es geht um
Selbsthilfe, wenn der Staat kein Geld hat.
Oder eben um "Charity" nach amerikanischem Vorbild. Stiftungsleiterin
Shilu Mistry ist Amerikanerin und weiß, welche wichtige Rolle
Wohltätigkeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten spielt. Auch
Professor Büchler hat in den USA erlebt, was durch privates Sponsoring
in der Medizin alles möglich ist, und glaubt fest daran, dass dies auch
in Deutschland funktionieren kann.
Den finanziellen Grundstock für einen Klinik-Neubau zu schaffen, ist,
wie Büchler sagte, "mittelfristiges Ziel". Seinen Worten nach wird das
Land die erforderlichen Mittel in Höhe von etwa 150 Millionen Euro
angesichts der Haushaltslage kaum vor dem Jahr 2025 zur Verfügung
stellen. "Wenn wir aber irgendwann mit 20 Millionen Euro nach Stuttgart
fahren, geht's vielleicht schneller". Zurzeit verfügt die Stiftung über
400000 Euro.
Rund 100000 Euro spendeten ehemalige Patienten. "Ich gebe gern",
sagte auch Manfred Lautenschläger, der dem Universitätsklinikum in den
letzten Jahren insgesamt um die 16 Millionen Euro zur Verfügung stellte.
"Die Stiftungsszene in Deutschland wird sich verändern", lautet seine
Prognose. Es gebe hier nämlich immer mehr Reiche, aber auch Kinderlose,
die ihren Nachlass einem guten Zweck zuführen könnten.
Von der Studie über die neue Therapie von Bauchspeichelkrebs (durch
eine Kombination von Chemotherapie, Bestrahlung und Interferon alpha)
wird erwartet, dass ihr Ergebnis die Überlebenschance Betroffener
deutlich erhöhen könnte. Als "Killerkrebs" bezeichnete Privatdozent Dr.
Jan Schmidt das Pankreaskarzinom, an dem in Deutschland jährlich etwa
10000 Menschen erkranken. Bisher lebten nur zehn bis 20 Prozent nach der
Diagnose noch länger als fünf Jahre. Die neue Therapie, die eine
amerikanische Klinik bereits an einer kleinen Patientengruppe testete,
könnte die Prozentzahl auf über 55 erhöhen.
Manfred Lautenschläger erkrankte vor 24 Jahren selbst an
Bauchspeichelkrebs. Kürzlich erfuhr er durch Zufall, dass es bundesweit
nur noch zwei weitere Menschen gibt, die bei gleicher Diagnose so lange
überlebten. Nach der Operation mag ihm sein eiserner Wille geholfen
haben.
Zusätzlich zu seiner Großspende hat Manfred Lautenschläger ein
Ausbildungsstipendium in Höhe von 25000 Euro jährlich ausgeschrieben,
das dem medizinischen Nachwuchs Auslandsaufenthalte ermöglichen soll.
Die ersten beiden Preisträger sind Dr. Markus Diener und Dr. Moritz
Wente von der Abteilung Allgemeine, Viszeral- und Unfallchirurgie.
Heidelberger Stiftung
Chirurgie
www.stiftung-chirurgie.com.
Tel 06221/56-4875 oder 56-5480
Karin Katzenberger-Ruf in der RNZ vom 11.6.2004,
www.rnz.de
Die rund 250 Selbsthilfegruppen in Heidelberg und dem
Rhein-Neckar-Kreis haben jetzt Stimmen und Gesichter bekommen. Dorothee
Schulz und Klaus Querbach wurden zu Sprechern der Regionalen
Arbeitsgemeinschaft gewählt.
Der Verein gleichen Namens wurde aufgelöst. Diese Organisationsform
schien eher hinderlich, um die Interessen der Selbsthilfegruppen zu
vertreten. In einer Arbeitsgemeinschaft gibt es nämlich weder einen
Vereinsbeitrag noch irgendwelche Pflichten, an bestimmten
Veranstaltungen teilzunehmen, sagt Schulz.
"Ein Sprachrohr für die Selbsthilfelandschaft", so beschreibt Marion
Schutt vom Selbsthilfebüro die beiden Vertreter. Noch enger werde damit
auch die Verzahnung zwischen der Arbeitsgemeinschaft und dem Büro. Und
das ist auch gut so in einer Zeit knapper Kassen, in der Selbsthilfe
immer wichtiger wird.
Künftig wollen die beiden Sprecher in zwei Richtungen wirken. Zum
einen soll das Verständnis untereinander und der Austausch an
Erfahrungen gefördert werden und zum anderen soll der Öffentlichkeit der
Stellenwert der Selbsthilfe klar gemacht werden. "Vielen ist gar nicht
klar, was da geleistet und wie viel da gespart wird", sagt Klaus
Querbach. Ganz zu schweigen davon, dass sich Mitglieder von
Selbsthilfegruppen unter Gleichbetroffenen wohl fühlen. "Je mehr wir
zusammen machen, umso stärker werden wir", unterstreicht auch Dorothee
Schulz. Schließlich sind es oft chronisch kranke oder behinderte
Menschen, die sich zu Selbsthilfegruppen zusammenfinden. Und sie können
in Zeiten tiefer Einschnitte im Gesundheitssystem durchaus jemanden
brauchen, der ihre Partei ergreift.
"Engagierte in Selbsthilfegruppen sind Experten in eigener Sache", weiß
Marion Schutt aus langjähriger Erfahrung. Deshalb findet sie es umso
wertvoller, dass sich die neuen Sprecher noch zusätzlich engagieren. Der
Aufwärtstrend in Sachen Selbsthilfe ist übrigens ungebrochen. Allein im
letzten Jahr haben sich zwölf neue Gruppen mit Hilfe des Büros
konstituiert. "Wir versuchen den Leuten die Schwellenangst zu nehmen",
beschreibt Klaus Querbach ein weiteres Ziel. Denn, dass man in
Selbsthilfegruppen wertvolle Unterstützung erfahren kann, haben die
Aktiven der Arbeitsgemeinschaft selbst erlebt. Die erste gemeinsame
Veranstaltung von Arbeitsgemeinschaft und Selbsthilfebüro findet am
Dienstag, 18. Mai, im Seniorenzentrum Neuenheim, Uferstraße 12, um 19
Uhr statt. Die Autorin Margot Sebold liest aus ihrem Buch "Brücke ins
Licht" Sie möchte Kraft geben, um den steinigen Weg aus der Krise besser
zu meistern.
Klaus Querbach, Tel 06224 54274,
kquerbach@freenet.de
Dorothee Schulz, Tel 06221 602156,
D.Sch.HD@t-online.de .
Engagieren kann richtig Spaß machen. Den hatten zumindest Schüler der
Johannes-Gutenberg-Schule mit einem ungewöhnlichen Projekt. "Licht aus,
Farbe drauf", nannten sie das Ergebnis ihrer Neonmalerei. Die kommt in dem
in Schwarzlicht getauchten Raum der Freiwilligen-Börse auch bestens zur
Geltung. Leuchtende Girlanden hängen im gespenstisch blauen Raum von der Decke,
Konfetti-Lichtpunkte dekorieren den Fußboden, und an der Wand hängen Plakate
in kreischendem Bunt.
So farbenfroh ist nicht jedes Engagement, das die Freiwilligen-Börse in der
Alten Eppelheimer Straße 38 zwischen Organisatoren und potenziell Engagierten
vermittelt. Aber als zukunftsweisend haben sich diese "Brückenbauer"
in den letzten fünf Jahren allemal erwiesen.
Kein Wunder, dass beim ersten "After-Work-Meeting" das Haus voll
war. Ganz unterschiedliche Leute trafen sich da in den weitläufigen Räumen.
Solche, die schon "alte Hasen" im bürgerschaftlichen Engagement sind,
und solche, die es erst noch werden wollen. "Eine lebendige Mischung, wie
wir sie uns wünschen", freute sich Ralf Baumgarth. Als Geschäftsführer
des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Heidelberg vertritt er auch den
Träger der Freiwilligen-Börse. Dass sich die Anlaufstelle in einem halben
Jahrzehnt zu einem Motor des bürgerschaftlichen Engagements mausern würde, war
zu Beginn keinesfalls abzusehen.
Dass dem so ist, liegt wohl nicht zuletzt an dem mittlerweile fünfköpfigen
hauptamtlichen Team um Beate Dahint, Michaela Leux-Schirmer, Bernhard Münch,
Alexandra Weide und eben Marion Schutt. "Fragen Sie uns Löcher in den
Bauch", appellierten die an die zahlreichen Gäste. Und darum ließen die
sich nicht zwei Mal bitten. Schließlich gibt es viele Menschen, die gerade den
Ruhestand erreicht haben, neu zugezogen sind oder schlicht ein bisschen Zeit
übrig haben und sich irgendwo einbringen wollen. Treu geblieben ist die
Freiwilligen-Börse dabei ihrem Anspruch, dass neben dem Nutzen für die
Allgemeinheit auch die eigene Entwicklung und das Knüpfen neuer Kontakte nicht
zu kurz kommen soll. Sie alle erwartet in der Börse (Telefon 06221/619444) eine
umfassende Beratung, bei der mit einem Fragenkatalog ein "Profil" des
künftigen Engagements erstellt wird, sowie der "rote Ordner", in dem
knapp 70 Organisationen, vom Naturschutzbund bis zum Sportverein darlegen,
wofür sie jemanden suchen.
"Am Anfang war die Frage, wozu braucht man denn eine
Freiwilligen-Börse, ziemlich häufig", erinnert sich Marion Schutt. Dass
sie das lange nicht mehr gehört hat, liegt wohl daran, dass die
Existenzberechtigung niemand mehr ernsthaft in Frage stellt. "Wir füllen
Lücken in Netzen, die es schon gibt", umschreibt Ralf Baumgarth
tiefstapelnd die Intention. Eine weitere solche Lücke haben die quirligen
Initiatoren schon in Angriff genommen. Ihnen ist nämlich aufgefallen, dass die
jungen Männer und Frauen, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr
absolvieren, zu 90 Prozent mit den gesammelten Erfahrungen hochzufrieden sind.
Eine Klientel, so dachte sich das Team der Freiwilligen-Börse, das eigentlich
auch sonst zu längerfristigem bürgerschaftlichem Engagement zu motivieren sein
sollte. Denn wer sich einmal mit positiven Erfahrungen engagiert hat, tut das
gerne wieder.
Das erhofft sich das Team der Freiwilligen-Börse auch vom Projekt "Jes",
zu deutsch "Jugend engagiert sich". Viele junge Leute unterschätzten
nämlich, was sie selbst auf die Beine stellen können. Und dabei entstand mit
Hilfe von zwei Mentorinnen auch das oben beschriebene Neonprojekt. Natürlich
bleibt es nicht bei der einmaligen Aktion. Schon bei den Jugendaktionstagen
"Move on" wollen die Schülerinnen und Schüler ihr Können wiederum
an andere Jugendliche weitergeben.
RNZ vom 17.2.2003, Kirsten Baumbusch, www.rnz.de
Immer mehr Menschen
sehen "Selbsthilfe als Lebens-Chance"
"Selbsthilfe als Lebenschance", das sehen immer mehr Menschen so. Für
fast alle Bereiche, von Autismus über Bulimie und chronische Schmerzen
bis hin zu trauernden Eltern, Unfallopfern und Zwangs-Patienten, gibt es
in Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis geeignete Möglichkeiten, mit
Leidensgenossen in Kontakt zu kommen. Eine entscheidende Hilfe ist ihnen
dabei seit 15 Jahren das Heidelberger Selbsthilfe- und Projektebüros.
Das Büro bietet professionelle Unterstützung und fungiert als
Kontaktbörse und Anlaufstelle.
Immer wieder gern genützt werden auch die Selbsthilfetage, die das
Büro nun bereits zum achten Mal veranstaltet. Am Samstag, 8. Februar
2003, von 12 bis 18 Uhr stehen in der Volkshochschule Heidelberg
gleich drei gewichtiges Themenkreise auf dem Programm. Um 13 Uhr geht es
um die Reformen im Gesundheitswesen. Um 15 Uhr um das Thema "Süchtig und
auf der Suche" und um 16.30 Uhr um "Rastlose Kinder und schwierige
Eltern - Zwischen ADS und Pisa". Auch drumherum wird Nahrhaftes für
Körper, Geist und Seele geboten. Neben einem Buffet für das leibliche
Wohl gibt es Informationsstände verschiedenster Selbsthilfegruppen sowie
Schnupperkurse in autogenem Training, progressiver Muskelentspannung und
Sturzprophylaxe. Fürs "Auftanken" sorgen Zauberer Daniel Schirmer und
Gitarrenklänge.
In Heidelberg gibt es eine ungeheuer breite Palette an Angeboten",
weiß Marion Schutt, die das Selbsthilfebüro leitet. Doch noch immer
brauchen manche eine ganze Weile, bis sie sich überwinden können und die
für ihr Leiden richtige Selbsthilfegruppe suchen. Am Selbsthilfetag soll
es ganz unverbindlich und unverkrampft möglich sein, das breite Spektrum
zu erkunden. Angesprochen ist die Bevölkerung von Heidelberg und darüber
hinaus des gesamten Rhein-Neckar-Kreises. Eröffnet wird der
Selbsthilfetag um 12 Uhr, bevor dann um 13 Uhr die gesundheitspolitische
Sprecherin der Grünen im Bundestag, Birgitt Bender, das Impulsreferat
zum Thema "Reformen für das Gesundheitswesen: Die Menschen im Zentrum!?"
hält. Gesundheitspolitik, so erklärt Marion Schutt, brennt derzeit wohl
allen unter den Nägeln. Und die meisten Menschen haben das Gefühl, das
ganze Dilemma sei nicht so richtig lösbar.
Wie der Spagat zwischen "Visionen und Alltag" aussieht, darüber
diskutieren anschließend Wolfgang Streibl (stellvertretender
Vorsitzender des Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden), Bruno Krüger
(Geschäftsführer der AOK Rhein-Neckar), Annette Baumer
(Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg) sowie die
Selbsthilfevertreterin Dorothee Schulz. Dem Thema "Süchtig und auf der
Suche" widmet sich der Pädagoge und selbst langjährig Suchtbetroffene
Berthold Kilian aus Frankfurt um 15 Uhr. Anschließend wird es
Erfahrungsberichte aus den verschiedensten Bereichen der Sucht geben.
Auch in Heidelberg gibt es nicht nur Selbsthilfegruppen für
Alkoholabhängige und ihre Angehörigen, sondern auch für Drogenabhängige,
Spiel- und Esssüchtige sowie Tablettenabhängige.
Um 16.30 Uhr werden dann Anonyme Alkoholiker sowie Mitglieder des
Kreuzbundes im Seminarraum der Volkshochschule ein exemplarisches
Treffen abhalten. Dieser Programmpunkt wurde aufgenommen, damit auch
Menschen, die sich nicht mit Selbsthilfegruppen auskennen, sehen können,
wie so etwas abläuft. Der dritte Teil des Selbsthilfetages ist dann
Eltern und Kindern gewidmet. "Zwischen Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und
Pisa - rastlose Kinder und schwierige Eltern", hat Rainer Steen vom
Praxisbüro Gesunde Schule im Gesundheitsamt seinen Part überschrieben.
Gerade in diesem Bereich, weiß auch Marion Schutt, schießen
Selbsthilfegruppen wie Pilze aus dem Boden. Das zeige, wie sehr vielen
die Problematik von hyperaktiven Kindern, Schreibabys und Eltern in
Trennung unter den Nägeln brennt. Ihr geht es darum, Eltern auch ein
bisschen den Rücken zu stärken. Allzuschnell, so weiß sie als erfahrene
Mutter, werden Väter und Mütter von allen Seiten gebrandmarkt, ohne dass
sie auf irgendwelche Hilfen hoffen dürfen.
Von Kirsten Baumbusch, RNZ vom 13.1.2003,
www.rnz.de
Im Heidelberger
Selbsthilfebüro möchte sich eine neue Gruppe gründen - Die Unkenntnis
über die Angststörung ist noch weit verbreitet
"Panikattacken - man sieht es nicht, man spricht nicht darüber, und
jeder leidet für sich allein." Damit soll Schluss sein, findet Sabine
Schmich (Name von der Redaktion geändert). Sie würde gern im
Heidelberger Selbsthilfebüro eine Gruppe gründen und sucht dafür noch
Gleichgesinnte (Telefon 06221 184290).
Gemeinsam, davon ist die 46-jährige Heidelbergerin überzeugt, könnte
es gelingen, die Öffentlichkeit für diese "Angst aus heiterem Himmel" zu
sensibilisieren und mit vereinten Kräften Auswege aus dem Höllentrip zu
finden. Bei ihr begann das Martyrium vor anderthalb Jahren mit einer
leichten Lungenentzündung. Schon vorher plagte sich die Mutter von drei
Kindern immer wieder mit langwierigen Erkältungen herum. Doch dieses Mal
wirkten auch die Antibiotika nicht.
"Mein Körper hat die Medizin einfach nicht angenommen", erklärt sie
sich das heute. Bei einem Belastungs-EKG passierte es dann zum ersten
Mal. Der Puls der zierlichen Frau raste nach oben, ihr brach der Schweiß
aus, sie bekam keine Luft mehr und hatte Todesangst. Der Arzt musste ihr
eine Beruhigungsspritze geben. Irgendwann ging der Pulsschlag wieder
nach unten, doch die Angst blieb. Die Attacken wurden so schlimm, dass
sie ihrem geliebten Beruf nicht mehr nachgehen konnte und in eine Klinik
eingewiesen wurde. Nach fünf Wochen fühlte sich Sabine Schmich aber
wieder fit. "Alles ist in Ordnung", sagte sie ihrer Umwelt und ging
wieder ihrem Job nach. Doch die Panik, so wurde ihr schnell klar, hatte sich fest in ihrem
Leben eingenistet und konnte sie jeden Augenblick aus dem Nichts
überfallen. Jede Busfahrt wurde so zur Qual. An Autofahren war gar nicht
zu denken. "Ich habe Angst, ich falle tot um", beschreibt sie, "es
beginnt immer mit einem Kribbeln in den Füßen, dann steigt es in den
Bauch und irgendwann in den Kopf, und dann ist alles zu spät." Allein zu
sein erträgt die Heidelbergerin gar nicht mehr
Hätte ihr jemand vor zwei Jahren diese Krankheit geschildert, hätte
sie nur mit dem Kopf geschüttelt. Deshalb hat Sabine Schmich ein
gewisses Verständnis dafür, wenn selbst gute Freunde sagen, sie solle
sich doch einfach einmal zusammenreißen. Dass die Ignoranz aber so weit
geht, dass selbst Mediziner und Rentenversicherungen nicht wissen, wie
mit diesen Patienten umzugehen ist, bestürzt sie. Dabei ist die
Panikstörung seit 1980 als eigenständige Diagnose neben der Angststörung
bekannt. Für jemanden, den fast alles außerhalb der vertrauten vier Wände in
wilde Panik versetzen kann, ist ein fremder Mediziner, der ihr Blut
abnehmen will, eine tödliche Bedrohung. Die Angst, die normalerweise vor
Gefahren warnt, ist bei Sabine Schmich völlig außer Kontrolle geraten.
Und damit auch ihr ganzes Ich. "Die seelische Belastung schwächt
extrem", erzählt die zierliche, dunkelhaarige Frau im RNZ-Gespräch,
"manchmal glaube ich, mein ganzer Körper spinnt."
Mit Hilfe ihrer verständnisvollen Ärztin und ihres Psychotherapeuten
hat sie in langen Gesprächen herausgefunden, was die Ursache ihres
psychischen Kollapses sein könnte. Obwohl sie die Jüngste von sechs
Geschwistern ist, haben alle ihr alles auf die zarten Schultern gepackt. Sie pflegte Mutter und Vater bis zu deren Tod, zog drei Kinder groß,
durchlitt eine schlimme Scheidung und kümmerte sich auch noch um einen
Bruder, der lange Jahre im Gefängis saß. "Alle haben immer alles bei mir
abgeladen", weiß sie heute, "und ich habe nicht gelernt, Nein zu sagen."
Mehr als vierzig Jahre lang hat ihr Körper das weggesteckt und Sabine
Schmich hatte alle seine Signale überhört. Dann brach er zusammen und
hat sich bislang nicht davon erholt.
Was eine Selbsthilfegruppe den Betroffenen bringen könnte, davon hat
Sabine Schmich ganz genaue Vorstellung. Weiß sie doch aus der Erfahrung
in der Kurklinik, dass sich der Umgang mit der Angst trainieren lässt.
Wer sich allein nie trauen würde, ein öffentliches Verkehrsmittel zu
benützen oder in einem Geschäft einkaufen zu gehen, wagt das vielleicht
in der Gruppe Gleichbetroffener. Hat dies einmal gut geklappt, dann
gewinnt der Betroffene nach und nach so viel Vertrauen, dass er es sich
irgendwann auch alleine traut. "Die Verhaltensweisen müssen sich wieder
automatisieren", erklärt Sabine Schmich. Und mit wem könnte das leichter
gelingen als mit einem Menschen, der die Situationen selbst aus
Erfahrung kennt. Wichtig wäre es ihrer Ansicht nach in der Gruppe auch, das Neinsagen
im Rollenspiel zu üben. Sie könnte sich sogar vorstellen, dass Menschen,
die an Panikattacken leiden, gemeinsam Entspannungsübungen entwickeln.
Das fällt diesen Patienten nämlich besonders schwer. "Zu entspannen, das
kennt mein Körper nicht", bekennt sie, "da bekommt er regelrecht einen
Schock."
RNZ vom 2.9.2002, Kirsten Baumbusch,
www.rnz.de
Asthma -
Ortsverband Heidelberg des DAAB 10 Jahre (7.1.2002)
Ute Behschnitt leitet seit über zehn Jahren den Ortsverband
Heidelberg des Deutschen Allergie- und Asthmabundes - Große Fortschritte
von Ingeborg Tzschaschel
"Machen Sie doch Ihre Krankheit zum Beruf", empfahl die Therapeutin
ihrer Klientin, die während einer persönlichen Krise Hilfe gesucht
hatte. Das war vor über zehn Jahren. Ute
Behschnitt, selbst von Neurodermitis und Asthma betroffen, befolgte
diesen Rat und leitet heute überaus erfolgreich den Ortsverband
Heidelberg des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB).
Sie machte zwar keinen Beruf daraus, doch ist das Ehrenamt für Ute
Behschnitt gleichsam zur Berufung geworden.
"Ich hatte einfach den Wunsch, etwas zu bewegen und Gutes zu tun,
etwas, was anderen Menschen hilft", betont Ute Behschnitt. Dabei steht
für sie die eigene Erkrankung nicht im Vordergrund, doch kann sie
offener mit ihren Problemen umgehen, seitdem sie das Ehrenamt innehat.
In dieses Amt arbeitete sie sich durch den Besuch zahlreicher Seminare
und Vorträge ein. Eine Fortbildung in Gesundheitspädagogik und
Entspannungstechniken kommt ihr dabei sehr zugute.
Ute Behnschnitt (Foto Alex)
Ute Behschnitt, Anfang der 50er Jahre in einer Kleinstadt groß
geworden, litt schon als Kind an Asthma. Sie fühlte sich damals
isoliert, war vom Sportunterricht befreit und wegen ständiger Atemnot
nicht in der Lage, wie andere Kinder Fahrrad oder Roller zu fahren. Es
gab kaum wirksame Medikamente, keine Notfallsprays, keine
Cortisonsprays. Erste wirkliche Hilfe erfuhr sie, als sie mit 20 Jahren
in die Hochgebirgsklinik in Davos kam, eine deutsche Klinik in der
Schweiz, die sich auf Atemwegs- und Lungenerkrankungen für Kinder und
Erwachsene spezialisierte. Dort wurde sie auch zum ersten Mal auf
verschiedene Allergene getestet. "Ich bin heute sehr zufrieden, wenn ich
Eltern am Telefon durch meine eigenen Erfahrungen helfen kann. Ständiger
Husten, der mit den üblichen Medikamenten wie Schleimlöser nicht weggeht
oder langanhaltender Schnupfen und Augentränen sollten von einem
Kinderarzt mit Schwerpunkt Asthma oder vom Facharzt abgeklärt werden."
Aufgrund ihrer Arbeit machte sie die Erfahrung, dass manche Patienten
erst nach mehrere Jahren in die richtige Behandlung kamen.
Ute Behschnitt erlernte den Beruf der Erzieherin, musste ihn dann
aber wegen ihrer Krankheit mit 40 Jahren aufgeben. In diese Zeit fiel
der Rat ihrer Therapeutin, und sie rief im Heidelberger Selbsthilfebüro
an. Zusammen mit Rita Körber gründete sie den Ortsverband Heidelberg des
Allergie- und Asthmabundes, der heute über 220 Mitglieder aus Heidelberg
und Umgebung zählt.
Einen hohen Stellenwert nimmt der Gesprächskreis ein. Jeden dritten
Donnerstag im Monat treffen sich Mitglieder und ihre Angehörigen bei der
AOK am Friedrich-Ebert-Platz 3. Erfahrungsaustausch über die Krankheit,
Informationen und Hilfestellung stehen dabei im Mittelpunkt. Mit Hilfe
wirksamer Medikamente kann der Asthmakranke heute gut mit seiner
Krankheit umgehen. Ute Behschnitt will zudem die Eigenverantwortung der
Patienten stärken, denn ein aufgeklärter Patient trage auch zur
Kostendämpfung bei. Wichtig sei es, die speziellen Angebote zu nutzen
und so die Lebensqualität zu verbessern.
Vorträge, Seminare, Sport, Freizeitaktivitäten sowie Kurse in
Atemtherapie und Entspannung stehen auf dem Programm des Ortsverbandes.
Als ein wichtiges Element ihrer Arbeit bezeichnet Ute Behschnitt die
Telefonberatung, die sie von zu Hause leistet. Oft rufen Patienten bei
ihr an, die gerade die Diagnose Asthma erhalten haben, und holen bei ihr
Rat. Andere möchten Hilfen im Alltag zur Bekämpfung der
Hausstaubmilbenallergien, oder sie suchen ein rauchfreies Lokal in
Heidelberg.
Ute Behschnitt gibt viel, aber sie erhält auch viel zurück: " Ich
bekomme Anerkennung und positive Rückmeldungen, lerne interessante
Menschen kennen und nehme als Privatperson mehr am öffentlichen Leben
teil." Es sei ein gutes Gefühl und eine Selbstbestätigung, wenn man
durch Weitergabe seines Wissens anderen ein Stück weit Hilfe geben kann,
ihre neue Lebenssituation mit der Krankheit zu verbessern.
Gegenwärtig hat Ute Behschnitt eine Sorge.
Sie befürchtet, dass durch die Gesundheitsreform aus Kostengründen
Asthma-Kranken sehr wirksame, aber teure Medikamente nicht mehr
verordnet werden können. Doch sei für die Krankenkassen eine
gute Einstellung des Patienten unter dem Strich kostengünstiger als
Notfallsituationen oder Notfalleinweisungen in die Klinik. Auch würden
Folgeerkrankungen vermieden werden können.
Infotelefon: 06221/ 41 14 18 (mit Anrufbeantworter)
RNZ vom 4.1.2002, Ingeborg Tzschaschel
Zum
Allergiker- und Asthmatikerbund e.V.
Selbsthilfegruppen für orphan diseases, seltene Erkrankungen
Menschen mit seltenen
Krankheiten warten nicht einfach auf bessere Medikamente.
Selbsthilfegruppen organisieren und bezahlen die Forschung
.
Von
Thomas Häusler und Achim Wüsthof
Für seine Tochter kommt jede Hoffnung zu spät. Thomas Baum
weiß, dass seine Arbeit in der Selbsthilfegruppe bestenfalls eines
Tages anderen Kindern helfen wird. Baums Tochter hat
Mukopolysaccharidose. Für die seltene Stoffwechselerkrankung gibt es
keine Therapie, und sie verläuft fast immer tödlich. Damit vielleicht
ein Medikament gefunden wird, das die Krankheit aufhält und der nur
110 Zentimeter großen 15-Jährigen weitere Operationen erspart,
investiert der von Eltern gegründete Verein allein in diesem Jahr rund
150 000 Mark in die Forschung.Mit solch tatkräftiger Einmischung in
die Medikamentenforschung proben auch andere Patientenorganisationen
nun den Aufstand gegen das Schicksal. Sie beschränken sich nicht
länger auf seelischen Beistand für ihre Mitglieder oder Rat bei der
Arztwahl, sondern finanzieren medizinische Forschungsprojekte, vor
allem zur Entwicklung von Arzneien für so genannte orphan diseases
- seltene Erkrankungen, von denen es mehr als 5000 gibt. Die
Berliner Selbsthilfegruppen-Vereinigung
Nakos hat Gruppen für rund 200 dieser seltenen Leiden in den
"blauen Adressen" zusammengetragen. Die Liste reicht von der
Chromosomenstörung 11q-Syndrom bis hin zur Zellophanmakulopathie -
beides Krankheiten, von denen die meisten Ärzte nie etwas gehört
haben.
In allen Bereichen der Medizin sind Patienten und ihre Angehörigen
dabei, durch handfeste Wissenschaftsförderung etwas gegen ihre Leiden
zu tun. Neue Strukturen machen es möglich:
- Das Internet hat das Informationsmonopol von Ärzten und
Forschern gesprengt, und die rot-grüne Bundesregierung hat die
gesetzlichen Krankenkassen per Gesetz verpflichtet,
Selbsthilfegruppen mit einer Mark pro Versichertem zu fördern.
- Zudem trat im Jahr 2000 in Europa die Orphan-Drug-Verordnung in
Kraft, mit der die Entwicklung von Medikamenten gegen seltene
Erkrankungen unterstützt wird - nach EU-Definition Leiden, die
weniger als fünf Patienten pro 10 000 Einwohner betreffen. Das
können bis zu 185 000 Europäer sein.
Für Big Pharma sind solche Patientenzahlen dennoch zu gering, die
Märkte zu klein, um Medikamente für orphan diseases zu entwickeln.
Solch exotischer Leiden, an denen in Deutschland im Extremfall nur
zwei Patienten leiden, nehmen sich allenfalls kleine Unternehmen wie
das 1990 in Paris gegründete Orphan Europe an. "Uns sprechen
die Selbsthilfegruppen direkt an", sagt Eberhard Kroll von der
deutschen Dependance der Firma. "Wenn nicht wir, wer dann?", fragt
Thomas Baum, der sich als Partner der Wissenschaftler sieht und auf
Erfolge aus den Labors setzt. Ein Beispiel sind die von seinem Verein
gesponserten molekularbiologischen Untersuchungen in der
Uni-Kinderklinik Hamburg, die als möglicher Schlüssel für eine
Therapie der Mukopolysaccharidose gelten. Das Ziel der Forscher: zu
verhindern, dass sich wegen eines defekten Enzyms langkettige
Zuckerverbindungen ablagern, die das Wachstum stören und die
Nervenzellen bedrohen - bis Lähmungen auftreten.
Manche Selbsthilfegruppen nehmen ihre Bezeichnung noch weitaus
wörtlicher: Sie geben nicht nur gezielt Geld, sondern forschen gleich
selbst. Patrick und Sharon Terry gründeten 1995 die Selbsthilfegruppe
PXE International, um schneller an medizinische Hilfe für ihre zwei
Kinder zu kommen, die an der genetischen Krankheit Pseudoxanthema
elasticum (PXE) leiden, von der in Deutschland schätzungsweise 600
Menschen betroffen sind.
Genpatent in Patientenhand
Die Terrys wurden zu Freizeitforschern, nachdem bei ihren damals
sechs- und achtjährigen Kindern Ian und Elizabeth PXE diagnostiziert
wurde. Bei dem Leiden wird Kalzium in Haut, Arterien und Netzhaut
eingelagert. Als Folge können die Augen degenerieren und
Durchblutungsstörungen auftreten. Die Eltern machten sich ohne Respekt
vor der Medizin an die Arbeit. "Wir dachten, eine Behandlung zu finden
sollte nicht schwerer sein, als ein Bauprojekt zu führen, wie es mein
Mann in seinem Job tut", sagt Sharon Terry. Als Start hat das Ehepaar
eine Blutbank von PXE-Kranken aufgebaut - eine Aufgabe, die bisher
Wissenschaftlern vorbehalten war. Vorletztes Jahr hat die
ungewöhnliche Liaison den ersten Erfolg verbucht: Zwei Labors haben
mithilfe der Blutbank das PXE-Gen gefunden. Und PXE International ist
weltweit als erste Patientenorganisation Mitinhaber eines Patents für
ein Krankheitsgen geworden.
Die Reaktion der Forscher auf die unerwartete Einmischung pendelt
zwischen Ablehnung und Zustimmung. "Es gab Forscher, die nicht mit uns
arbeiten wollten", sagt Sharon Terry. Charles Boyd von der Universität
Hawaii ist einer der Wissenschaftler, die das PXE-Gen fanden. Er ist
voll des Lobes: "Sie leistet wissenschaftlich unheimlich viel." Daher
wurde Terry in zwei Publikationen als Mitentdeckerin des PXE-Gens
genannt. Positiv äußert sich auch die Biologin Judith Tsipis von der
Brandeis-Universität, Waltham, USA. Es sei gut, dass PXE International
die Kontrolle über die Blutproben und das Teilpatent halte. Denn viele
Institute wollten exklusive Rechte auf Gene, was die freie Forschung
unmöglich mache, kritisiert Tsipis, die selbst ein Kind wegen einer
genetischen Krankheit verloren hat.
Die neue "Patienten-Power" (New Scientist) macht sich derweil in
vielen Gebieten bemerkbar. Sie führt zu verbesserten Krebsstudien, hat
einer pragmatischen Behandlung von Aids-Patienten den Weg geebnet oder
einem besseren Informationsaustausch unter Menschen mit seltenen
Erkrankungen. Zuletzt hat der Pharmagigant Novartis spüren müssen, wie
viel Druck das Engagement auch weniger Patienten erzeugen kann: In
frühen Tests erwies sich sein Wirkstoff STI 571 als sehr erfolgreich
gegen chronisch-myeloische Leukämie (CML), eine Form des Blutkrebses.
Die Resultate sickerten über das Internet zu den gut organisierten
CML-Kranken. "Die Betroffenen eröffneten Websites, um STI 571 bekannt
zu machen", staunt Jean Gloor, der für das Medikament zuständige
Marketingmanager. 4000 CML-Kranke verlangten zwei Tage nach
Bekanntwerden der ersten Daten im Netz, Novartis solle die Produktion
des Versuchsstoffs ausweiten, um ihn schneller durch die Tests zu
peitschen. Mit Erfolg. STI 571 kam - viel früher als geplant - unter
dem Namen Glivec auf den Markt. Der Triumph der CML-Kranken ist umso
größer, als Glivec wohl kein Kassenschlager wird. Seine Wirksamkeit
ist nur bei der recht seltenen CML getestet.
Nur die Aids-Aktivisten erreichten ähnlichen Einfluss, als sie vor
zehn Jahren mit massivem Druck den rascheren Einsatz einiger
Medikamente erzwangen. Ihre Schlagkraft war damals - anders als bei
den viel selteneren CML-Kranken - in den rapide steigenden
Patientenzahlen begründet. Diesen Unterschied macht das Internet nun
wett. Pharma-Manager sehen die Aktion der CML-Aktivisten als Brise vor
dem Sturm. "Ich erwarte, dass wir von Patienten viel Druck bekommen",
gestand Paulo Costa, Chef von Novartis USA im Fachblatt Pharmaceutical
Executive, "und wir werden lernen müssen, darauf einzugehen."
Schnell gelernt haben die Patienten, vor allem den Umgang mit dem
Internet. Noch vor zwei Jahren waren manche Ärzte überrascht und nicht
wenige genervt, wenn Patienten ihnen ihre Recherchen gleich
stapelweise auf den Tisch legten und über die neuesten Therapien
diskutieren wollten. Eine Studie unter 12 000 US-Internet-Nutzern
zeigt, dass 55 Prozent das Netz für Gesundheitsinformationen
konsultieren. Schon jetzt habe sich das Verhältnis Arzt/Patient
dadurch stark verändert, vermuten Gesundheitsexperten.
Dabei wird es nicht bleiben. Surfende Kranke hebeln bereits
nationale Gesundheitsvorschriften aus, indem sie in Massen nach
Therapien verlangen, die in ihrem Land nicht erhältlich sind. Noch
nicht zugelassene Arzneien besorgen sie sich per Internet-Apotheke.
Selbsthilfe wird Pharmafirma
Die Pharmaindustrie hat entdeckt, dass es dem Image mehr
nützt, eine Selbsthilfegruppe zu unterstützen, als Luxusreisen für
Ärzte zu finanzieren. Das Engagement wirkt honorig und ist
zugleich eine effiziente Werbeplattform. Großzügig finanzieren die
Medikamentenhersteller Selbsthilfekongresse und bieten sogar
Sponsoringkurse an. Bei der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft
sind die Firmen besonders aktiv. Von der Homepage der
Patientenorganisation gibt es direkte Links zu den Produkten gegen die
Degenerationserkrankung. Immerhin gelten die rund 120 000 Betroffenen
hierzulande als interessanter Markt für die teuren Medikamente.
...
In Großbritannien plant das Gesundheitsministerium sogar, den
umgekehrten Weg zu gehen. In den nächsten sechs Jahren sollen dort
Wissen und Erfahrungen von Patienten mit chronischen Erkrankungen
systematisch in die Krankenversorgung einbezogen werden. Immerhin zwei
Millionen Pfund jährlich werden für das "Expertenpatient"-System
ausgegeben werden. Auf Dauer, sagte Britanniens oberster Arzt Liam
Donaldson, erfordere das neue Schema von den Ärzten eine andere
Haltung gegenüber den Kranken, die wohl bereits an der Universität
gelehrt werden müsse: Es gehe um mehr, als den Patienten ein paar gute
Websites zu empfehlen, sagt Donaldson, "wir wollen sie ausbilden und
zu gleichberechtigten Partnern im Gesundheitssystem machen".
Von
Thomas Häusler und Achim Wüsthof, Die Zeit
02/2002
Kompletter Artikel hier:
http://www.zeit.de/2002/02/Wissen/200202_patienten.html
Artikel von Ingeborg Tzschaschel
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Update: 07.12.06 |